Soldaten

Der Historiker Sönke Neitzel hat bereits im Jahr 2005 unter dem Titel »Abgehört« eine Sammlung von Abhörprotokollen veröffentlicht, die während des 2. Weltkriegs im englische Trent Park in der Nähe Londons erstellt worden sind. Dort waren hochrangige Wehrmachtsoffiziere interniert. Neben systematischen Verhören gehörte auch das geheime Abhören der Gefangenen zu den Ermittlungsmethoden des englischen Militärgeheimdienstes.

Nun lässt Neitzel einen weiteren Band folgen, der den schlichten Titel »Soldaten« trägt. Während »Abgehört« ausschließlich Äußerungen von Offizieren enthielt, sind diesmal auch Gespräche einfacher Soldaten ausgewertet worden. Und während es sich beim ersten Band in der Hauptsache um eine Dokumentation handelte, arbeitet Neitzel für sein neues Buch mit dem Sozialpsychologen Harald Welzer zusammen, um eine interdisziplinäre Deutung der abgehörten Gespräche zu liefern.

Die Autoren konzentrieren sich dabei hauptsächlich auf das Thema Gewalt: Wie kommt es dazu, dass Menschen, die im Zivilleben nicht zu Gewalt neigen, im Krieg Gewalt nicht nur wie selbstverständlich ausüben, sondern auch an Aktionen teilnehmen, die sie selbst als verbrecherisch oder doch zumindest als fragwürdig ablehnen? Gibt es tatsächlich eine Abstumpfung durch Gewalt, oder ist vielmehr das militärische Umfeld schon ausreichend, um Gewalt auch gegen Wehrlose und Zivilisten auszuüben? Welchen Einfluss hatte die nationalsozialistische Ideologie auf die Soldaten?

Zu diesen und ähnlichen Fragen liefern die abgehörten Gespräche interessante und aufschlussreiche Einsichten. Ein Buch, das auch für historische Laien gut lesbar ist.

Sönke Neitzel / Harald Welzer: Soldaten. Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben. Frankfurt/M.: S. Fischer, 2011. ISBN: 978-3-10-089434-2. Preis: € 22,95.

Der alte König in seinem Exil

Arno Geiger (geb. 1968) gewann im Jahr 2005 den damals erstmals verliehenen Deutschen Buchpreis für seinen Roman »Es geht uns gut«, der die Geschichte einer österreichischen Familie mit ihren Verwicklungen in der Nazizeit aus der Sicht eines Nachgeborenen erzählt.

Sein neues Buch »Der alte König in seinem Exil« ist eine Mischung aus autobiografischer Erzählung und Essay. Es erzählt die Geschichte seines Vaters, genauer die Entwicklung von dessen Demenzerkrankung bis hin zu seinem Tod. Was die Angehörigen zuerst nur als ein Sich-Gehenlassen, als Lustlosigkeit oder mangelndes Interesse interpretieren, stellt sich mit der Zeit als ernsthafte Erkrankung heraus. Bald ist der Vater auf ständige Betreuung angewiesen, und Arno Geiger verbringt viel Zeit mit ihm. Eigentlich hatte er seine Beziehung zum Vater emotional bereits abgeschrieben, aber erstaunlicherweise findet er durch die Krankheit einen Weg zurück zu ihm. Es fängt damit an, dass er als Schriftsteller erstaunt ist über die Formulierungen, die der Vater findet und erfindet:

Es waren Sätze, die auch ein Held von Franz Kafka oder Thomas Bernhard gesagt haben könnte, ich dachte mir, da haben sich zwei gefunden, ein an Alzheimer erkrankter Mann und ein Schriftsteller.

Langsam findet er sogar jenen Vater wieder, den er von der Krankheit bereits zerstört glaubte.

»Der alte König in seinem Exil« ist nicht nur die Dokumentation einer Erkrankung, sondern es erzählt auch die Lebensgeschichte des Vaters nach, von seiner unglückliche Ehe, seinem Einzelgängertum und seiner stillen Liebe. Ein leises und beeindruckendes Buch über eine Vater-Sohn-Beziehung.

Arno Geiger: Der alte König in seinem Exil. München: Carl Hanser, 2011. ISBN: 978-3-446-23634-9. Preis: € 17,90. Dieser Titel kann auch als eBook ausgeliehen werden.

Die Panikmacher

Es begann wohl mit dem furchtbaren Anschlag auf das World Trade Center am 9. September 2001: Der Schock, der damals die westliche Welt erfasste, hat sie bis heute nicht wirklich wieder losgelassen. Mit dem Entsetzen über die Tat zugleich entstand eine unbestimmte, undeutlich bleibende Furcht vor einer in wesentlichen Zügen fremden Kultur des Islam, die nicht nur tausende von Kilometern entfernt existierte, sondern die auch mitten unter uns gelebt wurde.

Diese Furcht ist nicht ohne Folgen geblieben: Urteile gegen kopftuchtragende Lehrerinnen, Bekenntnisse sich emanzipierender Musliminnen, Presseberichte über prügelnde und ihre christlichen Mitschüler terrorisierende muslimische Halbstarke in Berlin und nicht zuletzt die umstrittenen Thesen eines Thilo Sarrazin, die eine breite Resonanz fanden, haben in Deutschland eine Stimmung erzeugt, wie sie seit vielen Jahrzehnten nicht zu beobachten war.

Patrick Bahners (geb. 1967), der Feuilletonchef der FAZ, hat diesem Phänomen sein neues Buch gewidmet. Bereits der Titel »Die Panikmacher« macht deutlich, wie Bahners die Entwicklung der letzten zehn Jahre einschätzt. Er glaubt, dass einige wenige Publizisten – an prominentester Stelle nennt er z. B. Thilo Sarrazin, Necla Kelek und Henryk M. Broder – dafür verantwortlich sind, die fraglos in unserer Gesellschaft bestehenden kulturellen Differenzen aufzubauschen und ein Geschäft mit der daraus resultierenden Angst zu betreiben.

Bahners liefert ein kühl und sachlich argumentierendes Buch, das ein bedeutendes Gegengewicht zur derzeitigen Grundtendenz der gesellschaftlichen Debatte darstellt.

Patrick Bahners: Die Panikmacher. Die deutsche Angst vor dem Islam. Eine Streitschrift. München: C.H. Beck, 2011. ISBN: 978-3-406-61645-7. Preis: € 19,95.

Freitisch

Der Freitisch ist eine uralte akademische Tradition, die auswärtigen, jungen und begabten Studenten aus ärmlichen Verhältnissen das Studium erleichtern sollte. Professoren und andere Honoratioren einer Universitätsstadt luden diese Studenten zu sich an den Mittagstisch ein. Auf diese Weise war nicht nur gesichert, dass die jungen Leute wenigstens eine ausreichende warme Mahlzeit am Tag erhielten, sie kamen auch in familiären Kontakt mit dem gebildeten Bürgertum, konnten ihre Umgangsformen verfeinern und hier und da auch manchen Kontakt knüpfen, der ihnen im späteren Leben vielleicht nützlich sein würde.

Auch im 20. Jahrhundert ist diese Tradition fortgesetzt worden, wenn auch in veränderter Form: Uwe Timm erzählt von einem Freitisch Mitte der 60-er Jahre in München, für den eine große Versicherung ihre Kantine zur Verfügung stellt. Dort treffen sich an einem Vierertisch regelmäßig zwei Germanisten, ein Mathematiker und ein Jurist zum Essen und unterhalten sich über die Welt, die Literatur und besonders den Schriftsteller Arno Schmidt. Um diesen Einsiedler in der Lüneburger Heide zu besuchen, machen sich schließlich der Mathematiker und einer der Germanisten in einem geliehenen VW-Käfer auf den langen Weg nach Norddeutschland.

Erzählt wird all dies als Rückblick der beiden Schmidt-Besucher, die sich über 40 Jahre später zufällig in einer Kleinstadt an der Ostsee wieder begegnen. Der eine ist ein inzwischen pensionierter Lehrer, der andere ein Unternehmer in Sachen Müllentsorgung geworden …

Eine intelligent und lakonisch erzählte Geschichte im Geiste, nicht in der Manier Arno Schmidts.

Uwe Timm: Freitisch. Novelle. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2011. ISBN: 978-3-462-04318-1. Preis: € 16,95.

Der Totschläger

Mit seinem 20-bändigen Romanzyklus »Die Rougon-Macquart« hatte sich der französische Schriftsteller Émile Zola (1840–1902) nicht nur das ehrgeizige Ziel gesetzt, die Geschichte einer ganzen Familie über mehrere Generationen hinweg zu erzählen, sondern er wollte zugleich auch das Porträt einer ganzen Epoche, des sogenannten Zweiten Kaiserreichs (1852–1870), liefern. Die Romane des Zyklus enthalten daher Geschichten aus den unterschiedlichsten sozialen Schichten.

Der Totschläger ist aber nun nicht, wie man vermuten könnte, ein Gewaltmensch, sondern der Name einer billigen Pariser Kneipe, die im Niedergang der Heldin des Romans, der Wäscherin Gervaise Macquart eine zentrale Rolle spielt. Gervaise hat zwei uneheliche Kinder von ihrem Geliebten Auguste Lantier, der sie zu Anfang des Romans wegen einer anderen Frau verlässt. Doch Gervais findet bald einen neuen Verehrer: den Dachdecker Coupeau, der sie zur Heirat drängt. In der ersten Zeit arbeiten beide hart, und Gervaise macht sich Hoffnung, sich mit einer eigenen Wäscherei selbstständig machen zu können. Doch dann fällt Coupeau vom Dach und ist monatelang krank, was die Ersparnisse des Paars beinahe vollständig auffrisst.

Dennoch gelingt Gervaise der Schritt in die Selbstständigkeit, als ihre Nachbarn anbieten, ihr das benötigte Kapital zu leihen. Auch dann scheint zuerst noch alles gut zu gehen; nur Coupeau hat sich an das süße Nichtstun gewöhnt und arbeitet nur noch sporadisch. Als er dann auch noch beginnt zu trinken, ahnt der Leser bereits, auf welches dunkle Ende diese Geschichte zusteuert.

Émile Zola: Der Totschläger. Aus d. Französ. v. Gerhard Krüger. Aufbau Taschenbücher Bd.1107. ISBN: 978-3-7466-1107-5. Das Buch ist derzeit nur antiquarisch lieferbar. Dieser Titel kann in der Stadtbibliothek Solingen über die Bergisch-Bib entliehen werden.

Nemesis

Im Sommer 1944 arbeitet der junge Eugene Cantor, den seine Freunde Bucky nennen, als Trainer und Aufsicht auf einem Sportplatz der US-amerikanischen Stadt Newark. Bucky ist ein guter Sportler und gerade als Sportlehrer eingestellt worden; während der Sommerferien betreut er die Kinder aus der Nachbarschaft, die nicht im Ferienlager oder mit ihren Eltern verreist sind. Leider ist für die Kinder von Newark der Sommer 1944 ein schlechter Sommer, denn es macht sich eine Polio-Epidemie in der Stadt breit. Auch einige von Buckys Kindern sind von der Krankheit betroffen.

Als sich die Fälle häufen, macht sich Bucky Gedanken, ob man den Platz nicht besser schließen sollte, aber da die Kinder sonst kaum Möglichkeiten haben zu spielen, zögert er. Schließlich bespricht er sich mit seinem zukünftigen Schwiegervater, der Arzt ist, ihn aber beruhigt: Man wisse nicht, wie die Kinderlähmung übertragen werde und es sei sehr unwahrscheinlich, dass die spielenden Kinder einander anstecken könnten.

Doch nicht nur die Epidemie setzt Bucky zu. Seine Freundin, die als Betreuerin in einem Ferienlager arbeitet, ruft ihn an, um ihm zu erzählen, dass in dem Lager eine Stelle als Schwimmlehrer frei geworden ist. Bucky solle sich doch bewerben; nicht nur könnten sie dann den Sommer miteinander verbringen, sondern sie wäre auch von der Sorge befreit, dass Bucky sich anstecken könne. Nach langem Zaudern entschließt der sich endlich, den Sportplatz zu schließen und zu seiner Freundin zu fahren …

Philip Roth hat mit dieser längeren, sehr ruhigen Erzählung einen weiteren Beweis seiner hohen Erzählkunst geliefert.

Philip Roth: Nemesis. Aus dem Englischen von Dirk van Gunsteren. München: Hanser, 2011. ISBN: 978-3-446-23642-4. Preis: € 18,90.

Die Unperfekten

Herman Cohen ist Chefkorrektor bei »der Zeitung«, einer internationalen, englischsprachigen Tageszeitung, deren Redaktion in Rom sitzt. Die Zeitung wurde in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts von einem amerikanischen Multimillionär gegründet, hat aber ihre besten Zeiten bereits hinter sich. Herman Cohen ist dafür zuständig, das stilistische Niveau auf der Höhe zu halten; er hat deshalb eine hausinterne Stil-Bibel verfasst, die über die Jahre gigantische Ausmaße angenommen hat und deshalb wohl von keinem anderen Redaktionsmitglied überhaupt noch zur Kenntnis genommen wird. Doch das ist nicht das einzige, was Herman derzeit plagt: Zu Besuch in Rom ist sein Schul- und Studienfreund Jimmy, den Herman für einen hochbegabten Autor hält und dem er gern einen Artikel für die Zeitung abringen möchte …

Und dann ist da zum Beispiel auch noch der Student Winston Cheung, der unbedingt für die Zeitung arbeiten möchte und sich deshalb als Reporter nach Kairo schicken lässt. Dort trifft er auf Rich Snyder, einen »alten Hasen«, der ihn nicht nur nach Strich und Faden ausnimmt, sondern ihn auch wie einen Deppen dastehen lässt, um einen potentiellen Konkurrenten los zu werden …

In insgesamt elf Kapiteln, in denen jeweils ein anderes Redaktionsmitglied im Mittelpunkt steht, erzählt Tom Rachman die Geschichte der Zeitung bis zu ihrer Auflösung im Jahr 2007. Dabei gelingt es ihm, die persönlichen Geschichten der Journalisten, die allgemeine Entwicklung des Zeitungswesens und die weltgeschichtlichen Ereignisse mit einem kenntnisreichen Portrait der ewigen Stadt Rom zu verflechten. Ein unterhaltsames und intelligentes Buch!

 

Tom Rachman: Die Unperfekten. Aus dem Englischen von Pieke Biermann. dtv 24821. ISBN: 978-3-423-24821-1. Preis: € 14,90.

Die Wahlverwandtschaften

Eduard und Charlotte sind ein adeliges Ehepaar, das erst spät im Leben zueinander gefunden hat: Beide hatten sich zwar schon als junge Leute kennen und schätzen gelernt, aber erst nachdem sie in erster Ehe anderweitig verheiratet waren, erlauben es ihnen die Umstände, einander zu heiraten. Nun leben sie zurückgezogen auf einem Landgut und genießen ihre Zweisamkeit. Während Eduard den Obst- und Blumengarten pflegt, gestaltet Charlotte den Park um, der zum Gut gehört.

Die Erzählung setzt ein, als die traute Zweisamkeit der beiden gestört werden soll: Eduards Jugendfreund, ein Hauptmann mit breiten wissenschaftlichen und technischen Kenntnissen, der auf der Suche nach einer neuen Beschäftigung ist, soll zu Besuch kommen; und auch Charlotte wünscht sich, dass ihre Nichte Ottilie, die zusammen mit Charlottes Tochter in einer Pension erzogen wird, eine Zeit lang bei ihr leben soll.

Noch bevor Ottilie auf dem Gut eintrifft, erzählt der Hauptmann von den chemischen Wahlverwandtschaften, also von chemischen Elementen, die, miteinander in Kontakt gebracht, sich aus ihrer alten Verbindung lösen und spontan neue Kombinationen bilden. So hat auch die Begegnung des Ehepaars Eduard und Charlotte mit dem Hauptmann und Ottilie gravierende Auswirkungen …

»Die Wahlverwandtschaften«, erschienen 1809, sind Goethes modernster und provozierendster Roman; die in ihm geäußerten Ansichten zur Ehe wurden von vielen Zeitgenossen als empörend und unmoralisch empfunden. Dieser Kritik stand schon zu Goethes Lebzeiten hohes Lob von Kollegen und Kritikern gegenüber. Der Roman ist auch heute noch eine anregende Lektüre.

Johann Wolfgang von Goethe: Die Wahlverwandtschaften. Reclam UB 7835. ISBN: 978-3-15-007835-8. Preis: € 5,60.

Die Einsamkeit der Primzahlen

Alice hasst es, früh aufstehen und an einem Skikurs teilnehmen zu müssen, zu dem ihr Vater sie angemeldet hat. Und als ihr dann auf dem Berg auch noch ein kleines Malheur passiert, trennt sie sich von der Gruppe, um allein ins Tal abzufahren. Es kommt, wie es kommen muss: Sie verunglückt und behält von dem Unfall eine Behinderung zurück. Und als sei das nicht schlimm genug, wird sie auch noch magersüchtig.

Mattia ist ein Zwilling, doch er und seine Schwester sind ein höchst ungleiches Paar: Während er hochbegabt ist, bleibt seine lernbehinderte Schwester Michela immer mehr zurück. Mattia ist ein Außenseiter, nicht nur wegen seiner guten Noten, sondern auch, weil er wegen seiner Schwester gehänselt wird. Als er eines Tages dennoch zu einem Kindergeburtstag eingeladen wird, lässt er auf dem Weg dorthin seine ihm peinliche Schwester in einem Park zurück; als er von der Feier zurückkommt, ist Michela spurlos verschwunden.

Als sich Alice und Mattia auf dem Gymnasium kennenlernen, schließen sie bald Freundschaft miteinander. Beide empfinden mehr füreinander, aber keiner wagt es, einen Schritt über ihre Freundschaft hinaus zu tun. Mattia studiert mit großem Erfolg Mathematik, Alice wird Fotografin. Als Mattia sein Studium abgeschlossen hat, bekommt er die Chance, an eine Uni in den USA zu wechseln. Genau zu dieser Zeit lernt Alice einen jungen Arzt kennen, der sie heiraten will. Doch ist damit die Geschichte von Alice und Mattia noch nicht an ihrem Ende angekommen …

Der junge italienischen Autor Paolo Giordano hat mit » Die Einsamkeit der Primzahlen« ein höchst erfolgreiches Romandebut vorgelegt.

Paolo Giordano: Die Einsamkeit der Primzahlen. Aus dem Italienischen von Bruno Genzler. Heyne Taschenbuch 40801. ISBN: 978-3-453-40801-2. Preis: € 8,99.

Das Dschungelbuch

Am 18. Januar vor 75 Jahren starb der Literatur-Nobelpreis-Träger Rudyard Kipling in London an den Folgen einer Operation eines Magengeschwürs. Er hatte 1907 als erster englischsprachiger Autor den Nobelpreis für Literatur erhalten, war aber auch schon zuvor ein weit über die englischsprachige Welt berühmter Autor. Er wurde 1865 im Bombay als Kind britischer Eltern geboren. Mit fünf Jahren wurde er, wie es unter vornehmen Engländern in Indien üblich war, zur Erziehung nach England geschickt und kehrte erst 1882 nach Indien zurück, wo er bei einer kleinen Zeitung als Journalist zu arbeiten begann, in der dann auch Kiplings erste Erzählungen abgedruckt wurden.

Als 1894 das erste »Dschungelbuch« erschien (der zweite Teil folgte ein Jahr später), lebte Kipling gerade eine Zeit lang in den USA und war bereits ein recht bekannter Autor. Im Gegensatz zu der allgemeinen Vorstellung, die durch Walt Disneys Verfilmung (1967) geprägt ist, handelt es sich beim »Dschungelbuch« nicht um einen Roman, sondern um eine Reihe von Erzählungen, von denen nur einige wenige die Geschichte vom Waisenkind Mowgli erzählen. In allen Geschichten stehen aber Tiere und ihr Verhältnis zum Menschen und seiner Welt im Mittelpunkt.

Die beiden »Dschungelbücher« sind Kiplings erfolgreichste Veröffentlichungen geworden. Kipling selbst hat zu seinen Geschichten gesagt, sie enthielten alles, was er über den indischen Dschungel je gewusst, gehört oder geträumt habe. Und obwohl sie inzwischen eher als Kinderbücher gelten, lohnt es sich auch für Erwachsene einmal in diese Klassiker der englischen Literatur hineinzuschauen.

Rudyard Kipling: Das Dschungelbuch. Aus dem Englischen von Erika Engelmann. Insel Taschenbuch 3169. ISBN: 978-3-458-34869-6. Preis: € 7,00.