Letzter Mann im Turm

Der junge indische Autor Aravind Adiga (geb. 1974) hatte 2008 mit seinem ersten Roman »Der weiße Tiger« gleich einen Welterfolg. Nun ist mit »Letzter Mann im Turm« bereits sein dritter Roman erschienen.

Im Zentrum des Buchs steht eine Hausgemeinschaft in Mumbai, im Stadtteil Vakola, in dem sich die expandierende Baubranche der Stadt ausbreitet: Hier werden zahlreiche Wohnanlagen mit teuren Luxuswohnungen errichtet, denen die alte Besiedlung weichen muss. So soll es auch der Wohngemeinschaft in den beiden Türmen der Vishram Society ergehen. Turm A, um den es im Buch hauptsächlich geht, wurde bereits Ende der 50er Jahre errichtet und ist schon leicht marode. Doch seine Wohnung-Eigentümer bildet eine funktionierende und zufriedene Gemeinschaft mit jahrelangen Freundschaften und festen Ritualen. All dies ändert sich, als der Bauunternehmer Dharmen Shah den Plan entwirft, sein unternehmerisches Lebenswerk durch den Bau einer Wohnanlage genau auf dem Gelände der Vishram Society zu krönen. Er macht daher den Bewohnern ein Angebot, dass diese kaum ausschlagen können: Er ist bereit, ihnen für jede Wohnung einen Betrag von umgerechnet 236.000 € zu zahlen, was etwa dem 400-fachen des durchschnittlichen indischen Jahreseinkommens entspricht. Aber nur, wenn alle gleichzeitig verkaufen. Mit der Zeit weicht die anfängliche Opposition der Bewohner der Verführung durch das Geld. Nur einer bleibt hart: Letzter Mann im Turm ist Masterji, ein pensionierter Physik-Lehrer, der nach dem kürzlichen Tod seiner Frau allein lebt …

Ein nur scheinbar harmloser Roman über eine letztlich gnadenlose Welt.

Aravind Adiga: »Letzter Mann im Turm«. Gelesen von Sebastian Kowski. 6 CDs mit ca. 514 Minuten Laufzeit. Der Audio Verlag, 2011. Preis: ca. € 18,–.

Das Dschungelbuch

Am 18. Januar vor 75 Jahren starb der Literatur-Nobelpreis-Träger Rudyard Kipling in London an den Folgen einer Operation eines Magengeschwürs. Er hatte 1907 als erster englischsprachiger Autor den Nobelpreis für Literatur erhalten, war aber auch schon zuvor ein weit über die englischsprachige Welt berühmter Autor. Er wurde 1865 im Bombay als Kind britischer Eltern geboren. Mit fünf Jahren wurde er, wie es unter vornehmen Engländern in Indien üblich war, zur Erziehung nach England geschickt und kehrte erst 1882 nach Indien zurück, wo er bei einer kleinen Zeitung als Journalist zu arbeiten begann, in der dann auch Kiplings erste Erzählungen abgedruckt wurden.

Als 1894 das erste »Dschungelbuch« erschien (der zweite Teil folgte ein Jahr später), lebte Kipling gerade eine Zeit lang in den USA und war bereits ein recht bekannter Autor. Im Gegensatz zu der allgemeinen Vorstellung, die durch Walt Disneys Verfilmung (1967) geprägt ist, handelt es sich beim »Dschungelbuch« nicht um einen Roman, sondern um eine Reihe von Erzählungen, von denen nur einige wenige die Geschichte vom Waisenkind Mowgli erzählen. In allen Geschichten stehen aber Tiere und ihr Verhältnis zum Menschen und seiner Welt im Mittelpunkt.

Die beiden »Dschungelbücher« sind Kiplings erfolgreichste Veröffentlichungen geworden. Kipling selbst hat zu seinen Geschichten gesagt, sie enthielten alles, was er über den indischen Dschungel je gewusst, gehört oder geträumt habe. Und obwohl sie inzwischen eher als Kinderbücher gelten, lohnt es sich auch für Erwachsene einmal in diese Klassiker der englischen Literatur hineinzuschauen.

Rudyard Kipling: Das Dschungelbuch. Aus dem Englischen von Erika Engelmann. Insel Taschenbuch 3169. ISBN: 978-3-458-34869-6. Preis: € 7,00.

Der Namensvetter

Als die frischgebackenen Eltern Ashima und Ashoke Ganguli ihren erstgeborenen Sohn aus dem Krankenhaus mit nach Hause nehmen wollen, ergibt sich ein kleines Problem: Nach US-amerikanischem Recht darf ein Kind nur mit einen gültigen Geburtsschein entlassen werden, und auf den gehört nun einmal ein Vorname. Aber die Gangulis warten seit Wochen auf einen Brief von Ashimas Großmutter, in dem der Name für den neuen Erdenbürger stehen soll. In ihrer Not beschließen sie, ihren Sohn vorläufig zu benennen, und als der Arzt vorschlägt, doch den Namen eines bewunderten Vorbildes zu nehmen, wählt Ashoke den Namen seines Lieblingsschriftstellers: Gogol.

Es ist nicht nur dieser Namen, der dafür sorgt, dass Gogols Kindheit und Jugend nicht die glücklichsten sind. Seine Eltern sind aus Kalkutta eingewanderte Bengalen, die versuchen, möglichst viel ihrer mitgebrachten Kultur in den USA beizubehalten. Sie haben nahezu ausschließlich bengalische Freunde, feiern bengalische Feste, kochen bengalische Mahlzeiten usw. usf. Gogol und seine jüngere Schwester Sonia dagegen wachsen immer mehr in die US-amerikanische Gesellschaft hinein, je älter sie werden. Gogol wird seinen Eltern und deren Kultur immer fremder, bis eines Tages unvorhergesehen sein Vater Ashoke stirbt …

Jhumpa Lahiri (geb. 1967) ist eine amerikanische Autorin bengalischer Herkunft. Sie hat im Jahr 2000 mit ihrem ersten Buch »Melancholie der Ankunft« sogleich den renommierten Pulitzer-Preis gewonnen. Ihr erster Roman »Der Namensvetter« verarbeitet die persönlichen Erfahrungen zahlreicher bengalischer Einwanderer zu einer amüsanten und bewegenden Erzählung.

Jhumpa Lahiri: Der Namensvetter. Aus dem Amerikanischen v. Barbara Heller. btb Bd. 73638. ISBN: 978-3-442-73638-6.