Alles Mythos!

Der Titel ist ein wenig irreführend, denn dieses Buch handelt nicht von Mythen im eigentlichen Sinne, sondern die Autorin korrigiert einige weitverbreitete Vorurteile über das Mittelalter. So etwa, dass die Menschen im Mittelalter durchweg dumm und ungebildet waren, dass sie sich gegen neue Erfindungen und technische Entwicklungen gesträubt hätten, dass das einfache Volk unter erbärmlichen Bedingungen gelebt habe, während es sich der Adel gut habe gehen lassen und vieles anderes mehr.

Dabei entsteht ein lebendiges und aktuelles Bild von Leben und Alltag im Mittelalter, also der Zeit Jahre zwischen ca. 500 – dem Untergang des weströmischen Reichs – bis etwa 1500 – dem Abschluss der der Rückeroberung Spaniens von den Mauren. Dabei werden nicht nur alle gesellschaftlichen Schichten und Gruppen behandelt, sondern auch Fragen wie die nach der rechtlichen Stellung der Frau, der Stellung der Kirche in der Gesellschaft oder dem sozialen Status der Ritterschaft. Vieles wird die Leser überraschen, so etwa die aktive Stellung der Frauen in Handel und Gewerbe – in Köln zum Beispiel waren es zumeist Frauen, die die Zunft der Seidenweber beherrschten – oder die Tatsache, dass die Hexenverfolgung eher eine Angelegenheit der frühen Neuzeit als des angeblich so dunklen Mittelalters gewesen ist. Auch über das Rittergewerbe und die Absichten der Kreuzfahrer weiß Karin Schneider-Ferber interessantes und überraschendes zu berichten.

Das Buch zeichnet sicher ein summarisches und chronologisch unzureichend bleibendes Bild des Mittelalters, doch erfüllt es die selbst gestellte Aufgabe, allgemeine Vorurteile zu entlarven, auf das Beste.

Karin Schneider-Ferber: Alles Mythos! 20 populäre Irrtümer über das Mittelalter. Stuttgart: Theiss, 2009. ISBN: 978-3-8062-2237-1. Preis: € 16,90. Dieser Titel kann in der Stadtbibliothek Solingen als Buch und als als eBook ausgeliehen werden.

Die Panikmacher

Es begann wohl mit dem furchtbaren Anschlag auf das World Trade Center am 9. September 2001: Der Schock, der damals die westliche Welt erfasste, hat sie bis heute nicht wirklich wieder losgelassen. Mit dem Entsetzen über die Tat zugleich entstand eine unbestimmte, undeutlich bleibende Furcht vor einer in wesentlichen Zügen fremden Kultur des Islam, die nicht nur tausende von Kilometern entfernt existierte, sondern die auch mitten unter uns gelebt wurde.

Diese Furcht ist nicht ohne Folgen geblieben: Urteile gegen kopftuchtragende Lehrerinnen, Bekenntnisse sich emanzipierender Musliminnen, Presseberichte über prügelnde und ihre christlichen Mitschüler terrorisierende muslimische Halbstarke in Berlin und nicht zuletzt die umstrittenen Thesen eines Thilo Sarrazin, die eine breite Resonanz fanden, haben in Deutschland eine Stimmung erzeugt, wie sie seit vielen Jahrzehnten nicht zu beobachten war.

Patrick Bahners (geb. 1967), der Feuilletonchef der FAZ, hat diesem Phänomen sein neues Buch gewidmet. Bereits der Titel »Die Panikmacher« macht deutlich, wie Bahners die Entwicklung der letzten zehn Jahre einschätzt. Er glaubt, dass einige wenige Publizisten – an prominentester Stelle nennt er z. B. Thilo Sarrazin, Necla Kelek und Henryk M. Broder – dafür verantwortlich sind, die fraglos in unserer Gesellschaft bestehenden kulturellen Differenzen aufzubauschen und ein Geschäft mit der daraus resultierenden Angst zu betreiben.

Bahners liefert ein kühl und sachlich argumentierendes Buch, das ein bedeutendes Gegengewicht zur derzeitigen Grundtendenz der gesellschaftlichen Debatte darstellt.

Patrick Bahners: Die Panikmacher. Die deutsche Angst vor dem Islam. Eine Streitschrift. München: C.H. Beck, 2011. ISBN: 978-3-406-61645-7. Preis: € 19,95.