Die Kinder der Finsternis

Wolf von Niebelschütz (1913–1960) ist ein Dauergeheimtipp der deutschen Nachkriegsliteratur. Er hat niemals den Durchbruch zu wirklicher Prominenz geschafft, doch seine beiden großen Romane »Der blaue Kammerherr« (1949) und »Die Kinder der Finsternis« (1959) sind seit ihrem Erscheinen mit kleineren Unterbrechungen eigentlich immer im Druck gewesen. Gerade hat nun der Züricher Verlag Kein & Aber die beiden umfangreichen Bücher wieder vorgelegt.

Niebelschütz, der Geschichte und Kunstgeschichte studiert hatte, konnte schon vor dem Zweiten Weltkrieg einige seiner Gedichte in der »Neuen Rundschau« veröffentlichen, wurde dann aber 1940 zur Wehrmacht eingezogen. Auf einem Wehrmachtsschreibtisch im besetzten Paris schrieb er große Teile seines ersten Romans, der kurz nach dem Krieg im jungen Suhrkamp Verlag erscheint.

Erst zehn Jahre später folgt dann »Die Kinder der Finsternis«, ein fantastisch-historischer Roman, der im Hochmittelalter spielt. Als Schauplatz erfindet Niebelschütz zwischen die Provence und das von den Mauren besetzte Spanien das kleine Reich Kelgurien hinein, in dem Barral, der Held des Buches und Bastardsohn eines Barons, durch glückliche Umstände zur Herrschaft gelangt. Und er wird ein außergewöhnlicher Herrscher, der versucht, sein kleines Land soweit es geht aus den Unwägbarkeiten der großen Politik herauszuhalten. Zudem schließt er Freundschaft über die Landes- und Glaubensgrenzen hinaus mit den muslimischen Nachbarn, die sich als wissenschaftlich und kulturell hoch überlegen erweisen.

Ein überaus kluges und an historischen Details reiches Buch.

Wolf von Niebelschütz: Die Kinder der Finsternis. Zürich: Kein & Aber, 2010. ISBN: 978-3-0369-5559-9. Preis: € 24,90. Dieser Titel kann in der Stadtbibliothek Solingen über die Bergisch-Bib entliehen werden.

Der große Bluff

Der amerikanische Flieger, Erfinder, Filmemacher und Milliardär Howard Hughes (1905–1976) war eine der skurrilsten Figuren des 20. Jahrhunderts. Als 20-Jähriger trat er eine Erbschaft von über 500.000 $ an und riskierte dieses Geld, indem er als Produzent und Regisseur in Hollywood mit »Hells’s Angels« (1930) den bis dahin teuersten Film produzierte. Er hatte damit entgegen allen Voraussagen einen riesigen Erfolg. Auch später zeichnete sich Hughes durch eine hohe Risikobereitschaft bei seinen Geschäften aus. Allerdings zeigten sich auch schon früh Symptome einer psychischen Erkrankung, die dazu führte, dass sich Hughes ab dem Ende der 50er Jahre praktisch komplett aus der Öffentlichkeit zurückzog.

Hughes’ Welt- und Menschenscheu versuchte Anfang der 70er Jahre der mäßig erfolgreiche amerikanische Schriftsteller Clifford Irving für sich auszunutzen: Er bot seinem Verlag die exklusive und angeblich autorisierte Autobiographie von Howard Hughes an, die er allerdings zusammen mit seinem Kollegen Richard Suskind aus Archiv-Material zusammengeschrieben hatte. Er kassierte große Vorschüsse und überzeugte den Verlag trotz ausdrücklicher Proteste von Seiten Howard Hughes’ von der Echtheit der Autobiographie. Erst nachdem das Buch bereits gedruckt war, flog der Betrug auf. Irving wurde am Ende zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

Regisseur Lasse Halström (»Gottes Werk & Teufels Beitrag«, »Schiffsmeldungen«) hat aus diesem Stoff mit einer überraschenden Besetzung (Richard Gere und Alfred Molina in den Hauptrollen) eine flotte und witzige Betrugskomödie geschaffen.

»Der große Bluff«. USA, 2006. 1 DVD, Ascot Elite. Sprachen: Deutsch, Englisch. Länge: ca. 116 Minuten. Extras: Interviews, Featurette. FSK: ab 12 Jahren. Preis: ca. € 9,–.

Das dritte Tagebuch

Als der Schweizer Architekt und Autor Max Frisch (1911–1991) im Jahr 1950 sein erstes Buch bei einem bundesdeutschen Verlag veröffentlichte, erzielte er damit sogleich einen Achtungserfolg bei den deutschen Kritikern, obwohl das Buch den Erwartungen, die sein Titel »Tagebuch 1946–1949« weckte, kaum entsprach. Denn statt eines Tagebuchs im herkömmlichen Sinne fanden die Leser eine durchkomponierte Sammlung von Texten vor, die immer wieder um eine kleine Anzahl von Themen kreisten: z. B. rassistische Vorurteile, Liebe und Eifersucht, Nachkriegs-Deutschland und auch die Schweiz. Eingestreut fanden sich kürzere Erzählungen, die später als Grundlage für Theaterstücke Frischs dienen sollten.

Anfang der 70er-Jahre folgte das »Tagebuch 1966–1971«, das einerseits sehr viel offener politisch war, andererseits noch freier mit Textformen experimentierte. So enthielt das zweite Tagebuch unter anderem jene berühmten Fragebögen, mit denen Frisch seine Leser dazu bringen wollte, sich über ihre eigenen Positionen und Meinungen Rechenschaft zu geben.

Dieses Jahr ist nun aus dem Nachlass Max Frischs ein Fragment eines dritten Tagebuchs erschienen. Die Texte sind in den Jahren 1982 und 1983 entstanden und füllen knapp 200 großzügig gesetzte Seiten. Auch diesmal wieder gibt es eine Anzahl von Themen, die die Texte aus immer wechselnder Perspektive umkreisen: Max Frisch und die Frauen, Tod und Sterben, Wohnorte und Reisen und nicht zuletzt der Blick eines Europäers auf die USA und ihre Politik.

Für Freunde der Prosa Max Frischs ein Muss, für alle anderen eine anregende Lektüre zum Blättern und Entdecken.

Max Frisch: Entwürfe zu einem dritten Tagebuch. Berlin: Suhrkamp, 2010. ISBN: 978-3-518-42130-7. Preis: € 17,80. Dieser Titel kann in der Stadtbibliothek Solingen über die Bergisch-Bib entliehen werden.

Balzac

Honoré de Balzac (1799–1850), Schöpfer des riesigen Erzählzyklus der »Menschlichen Komödie«, hat ein unglaublich spannendes und bewegtes Leben geführt. Stets musste er sich mit seinen wachsenden Schulden und seinen Gläubigern herumschlagen, was ihn allerdings nicht davon abhielt, seinen luxuriösen Lebensstil fortzuführen, ja den Luxus entgegen besserer Einsicht noch weiter zu steigern. Rettung erhoffte sich Balzac immer erneut durch irgendwelche wundersamen Geschäftsgewinne – alle Versuche in dieser Richtung endeten bereits nach kurzer Zeit im nächsten finanziellen Desaster – oder durch eine vorteilhafte reiche Heirat, die ihn auf einen Schlag von allen Sorgen befreien sollte. Mehr der Not als der Neigung gehorchend sah er sich gezwungen, sich auf sein einziges wirkliches Talent, das Schreiben, zu stützen, um wenigstens den dringendsten Luxus finanzieren zu können. Besonders von strohgelben Glacéhandschuhen musste Balzac jederzeit ein oder zwei Dutzend Paar zur Verfügung haben, um sich wohl zu fühlen.

Johannes Willms Biographie Balzacs nimmt sich über Strecken wie eine Sammlung von Klatsch und Tratsch aus. Doch wie schon für seinen »Napoleon« wertete Willms umfangreich Briefzeugnisse aus, um ein möglichst genaues und persönliches Bild zu zeichnen. Dabei weicht er den unvorteilhaften Zügen Balzacs nicht aus: nicht dem schwierigen Verhältnis zur Mutter, nicht seiner rücksichtslosen Ausnutzung anderer Menschen, nicht seiner Verlogenheit sich und anderen gegenüber, nicht seiner Neigung, die Verantwortung für seine Misere auf andere zu schieben. Eine interessante und exzellent geschriebene Biografie.

Johannes Willms: Balzac. Zürich: Diogenes, 2007. ISBN: 978-3-257-06624-1. Preis: € 24,90. Dieser Titel kann in der Stadtbibliothek Solingen über die Bergisch-Bib entliehen werden.

Menschenrauch

Der US-amerikanische Schriftsteller Nicholson Baker (geb. 1957) legt mit seinem Buch »Menschenrausch« eine beeindruckende Sammlung historischer Quellen vor, die im Wesentlichen den Zeitraum vom Ende des ersten Weltkriegs bis zum Kriegseintritt der USA im Dezember 1941 umfassen. Dokumentiert werden sowohl die Bestrebungen der Kriegstreiber als auch die vergeblichen Bemühungen der Kriegsgegner, den nächsten Krieg zu verhindern bzw. so rasch wie möglich zu beenden. Neben staatlichen und politischen Verlautbarungen werden nahezu gleichrangig Tagebücher und private Aufzeichnungen von Opfern dokumentiert. Einen breiten Raum nehmen auch Zitate aus Tageszeitungen ein.

Diese Fleißarbeit Bakers erzeugt ein Mosaik der Entwicklung vom Ersten zum Zweiten Weltkrieg hin und der ersten Kriegsjahre. Für Leser, die sich in dieser Zeit auskennen, bereichert die Lektüre des Buches ihren Blick auf überraschende Weise.

Natürlich stößt Bakers Ansatz, die Quellen beinahe unkommentiert sprechen zu lassen, auch an Grenzen: Gerade als Deutscher hegt man Zweifel, ob sich etwa von den Verbrechen an den Juden ein historisch korrekter Eindruck ergibt, wenn pseudorationale Argumente von Antisemiten oder Nationalsozialisten scheinbar gleichrangig neben Klagen von Juden oder jüdischen Hilfsorganisationen stehen. Da die Quellen zudem im Dezember 1941 enden, bleibt die entsetzlichste Phase des Holocaust nach der Wannsee-Konferenz vom 20. Januar 1942 komplett ausgeblendet. Trotz dieser Einschränkungen ist Bakers Buch eine durchweg empfehlenswerte Lektüre.

Nicholson Baker: Menschenrauch. Wie der Zweite Weltkrieg begann und die Zivilisation endete. Deutsch von Sabine Hedinger und Christiane Bergfeld. Reinbek: Rowohlt, 2009. ISBN: 978-3-498-00661-7. Preis: € 24,90.

State of Play

Cal McAffrey (Russell Crowe) ist Journalist der alten Schule und lebt und arbeitet in Washington. Bei seiner Recherche zum Tod eines Drogenabhängigen, der von einem Profikiller ermordet wurde, stößt er überraschend auf eine Verbindung zu einer jungen Frau, die sich umgebracht zu haben scheint. Diese junge Frau war Mitarbeiterin des Politikers Stephen Collins (Ben Affleck), mit dem Cal seit College-Tagen befreundet ist. Collins spielt eine zentrale Rolle in einem Untersuchungsausschuss, der sich mit den Praktiken einer großen, privaten Sicherheitsfirma befasst. Offenbar hatte Collins eine intime Beziehung mit seiner gerade verstorbenen Mitarbeiterin.

Cal gerät in seiner Redaktion unter Druck, seine enge Beziehung zu Collins zu nutzen, um Informationen zum Tod der Assistentin zu liefern. Ihm wird von seiner Chefin (Helen Mirren), die dringend Erfolge braucht, die junge Online-Redakteurin Della Frye (Rachel McAdams) als Kollegin aufgenötigt, um rasch eine sensationelle Story produzieren zu können. Als der Zufall Cal Bilder in die Hand spielt, die beweisen, dass Collins Geliebte über längere Zeit beobachtet worden ist, verdichtet sich der Verdacht, dass sie ermordet wurde. Von diesem Moment an nehmen die Recherchen mehr als eine unvorhergesehene Wendung.

Regisseur Kevin Macdonald (»Der letzte König von Schottland«) hat eine Mini-Serie der BBC zu einem zweistündigen, kompakten Kinofilm umgeschmiedet. Der Film ist aufgrund seiner thematischen Vielfalt und der differenziert gezeichnet Charaktere unbedingt sehenswert.

»State of play«. USA, GB, Frankreich 2009. 1 DVD, Universal. Sprachen: Deutsch, Englisch, Türkisch. Länge: ca. 122 Minuten. Extras: Making-of, zusätzliche Szenen. FSK: ab 12 Jahren. Preis: ca. € 10,–.

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Die Lehrjahre des Duddy Kravitz

Duddy Kravitz ist ein echter Tausendsassa: In der Schule der Schrecken seiner Lehrer, stellt er sich nach dem Schulabschluss rasch auf eigene Beine. Da ihm sein Großvater gepredigt hat, das Wichtigste sei der Besitz von Land, plant Duddy den Kauf eines Sees, an dem er Hotels und ein Ferienlager errichten will. Doch an Bargeld fehlt es, weshalb er auf den Plan verfällt, in der jüdischen Gemeinde von Montreal, der er entstammt, bei Bar-Mizwa-Feiern und Hochzeiten Filme zu drehen. Er gründet also kurzerhand eine Produktionsfirma; da er aber selbst keinerlei Ahnung hat, wie man Filme dreht, heuert er einen in Hollywood gescheiterten Regisseur an. Es wird Duddy später viel Mühe kosten, seinem ersten Kunden das »Meisterwerk« dieses Künstlers zu verkaufen. Aber das ist nicht die einzige Schwierigkeit, mit der sich Duddy herumschlägt: Seine Freundin ist mit ihm unzufrieden, sein Bruder will das Medizinstudium hinwerfen, sein Onkel ist krebskrank und dann wird er auch noch unfreiwillig als Drogenkurier missbraucht. Und immer ist das Geld knapp …

Autor Mordecai Richler (1931–2001) hatte mit »Die Lehrjahre des Duddy Kravitz« 1959 seinen Durchbruch in Kanada. Er ist einer der bekanntesten kanadischen Schriftsteller und war in seiner Heimat, besonders wegen seiner politischen Haltung, eine nicht unumstrittene Figur. Richler entstammt einer jüdischen Familie Montreals und verarbeitet in seinen Büchern viel von seinen persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen. »Die Lehrjahre des Duddy Kravitz« wurden 1974 mit Richard Dreyfuss in der Hauptrolle verfilmt.

Mordecai Richler: Die Lehrjahre des Duddy Kravitz. Aus dem Englischen von Silvia Morawetz. Fischer Taschenbuch 18074. ISBN: 978-3-596-18074-5. Preis: € 9,95.

Che

Steven Soderbergh (geb. 1963 in Atlanta) hat sich eine für einen Hollywood-Regisseur eher ungewöhnliche Filmographie erarbeitet. Bekannt wurde er 1989 mit »Sex, Lügen und Videos«, doch seinen Durchbruch hatte er erst mit »Erin Brockovich« (2000). Mit seiner Trilogie um den Dieb Danny Ocean (2001/2004/2007) schien er endgültig in der Unterhaltungsmaschinerie Hollywoods angekommen zu sein. Doch dann überraschte er das Publikum im Jahr 2008 mit einer mehr als vierstündigen Film-Biographie des argentinischen Revolutionärs Ernesto Guevara (1928–1967), besser bekannt unter seinem Kampfnamen Che.

Che, dessen Bild bereits in den 60er-Jahren zur Ikone wurde, war Arzt und lernte 1956 auf einer seiner vielen Reisen in Mexiko Fidel Castro kennen. Er schloss sich dessen revolutionärer Bewegung an, die schließlich Anfang 1959 das Bastista-Regime auf Kuba stürzen und die Macht übernehmen konnte. Nach einigen Jahren der politischen Arbeit in Havanna ging Che 1966 als Revolutionär nach Bolivien, wo er im Oktober 1967 gefangen genommen und ermordet wurde.

Soderberghs historisch sorgfältiges Porträt konzentriert sich ganz auf die politische Biographie Ches. Dessen Privatleben bleibt bis auf Andeutungen ausgeblendet. Die erste Hälfte des Films beschäftigt sich mit den kubanischen Jahren, während die zweite den Guerillakampf in Bolivien dokumentiert. Mit Benicio Del Toro hat Soderbergh einen leidenschaftlichen Darsteller Ches gefunden, der mit seiner intensiven Verkörperung der politischen Ikone diesen vierstündigen Film-Marathon zu einem Erlebnis macht.

»Che«. Spanien, Frankreich, USA, 2008. 3 DVDs, Senator. Sprachen: Deutsch, Spanisch. Länge: zusammen ca. 256 Minuten. Extras: Making-of, Interviews. FSK: ab 12 Jahren. Preis: ca. € 20,–.

Vom großen Lafcadio

»Lafcadio« ist ein Kinderbuch, das beinahe 50 Jahre alt ist und das verdient hätte, viel bekannter zu sein. Sein Autor Shel Silverstein erzählt in ihm die Geschichte eines jungen Löwen, der nicht wie seine Artgenossen vor den Jägern wegläuft, sondern einem von ihnen kurzerhand das Gewehr abnimmt und ihn auffrisst. Mit dem Gewehr bildet er sich selbst zum Scharfschützen aus und wird daraufhin von einem Zirkusdirektor mit dem Versprechen, ihn mit Marshmallows zu füttern, in die Stadt gelockt.

Dort trifft die junge Raubkatze bei ihrem ersten Ausflug den Erzähler der Geschichte, Onkel Shelby, der ihn zum Friseur begleitet, ihm seinen Schneider empfiehlt und ihn nicht zuletzt zum Essen ausführt, bei dem dann auch die versprochenen Marshmallows serviert werden. Am nächsten Tag bekommt der Löwe seinen Bühnennamen »Der große Lafcadio«, und schon sein erster Auftritt wird eine Sensation. Lafcadio wird zu einer großen Berühmtheit und ein echter Salonlöwe. Onkel Shelby, sein erster und bester Freund, führt ihn in die große Gesellschaft ein, und Lafcadio lässt seine »wilde« Vergangenheit mehr und mehr hinter sich. Natürlich erweist es sich, dass das Leben in menschlicher Gesellschaft auch einen Löwen auf Dauer nicht glücklich macht. Da kommt es gerade recht, dass der Direktor einen Jagdausflug nach Afrika vorschlägt …

Der vielseitige Shel Silverstein (1932–1999) war Schriftsteller, Musiker und Zeichner und hat »Lafcadio« nicht nur geschrieben, sondern auch selbst illustriert. Die deutsche Ausgabe hat das Glück, in Harry Rowohlt einen kongenialen Übersetzer gefunden zu haben.

Shel Silverstein: Lafcadio. Ein Löwe schießt zurück. Aus dem Amerikanischen von Harry Rowohlt. Frankfurt/M.: Fischer Taschenbuch Verlag, 2004. ISBN: 978-3-596-85140-9. Preis: € 11,90.

Die Demütigung

Der alternden Schauspieler Simon Axler gerät in eine tiefe Krise, als ihm seine Fähigkeit der intuitiven Darstellung seiner Rollen abhanden kommt. Dann trennt sich auch noch seine Ehefrau von ihm, und Axler lässt sich in eine psychiatrische Klinik einweisen, da er sich für akut selbstmordgefährdet hält. Allerdings lehnt er alle Hilfsangebote ab: Weder versucht er ernstlich, an den Therapieangeboten der Klinik teilzunehmen, noch geht er auf den Vorschlag seines Agenten ein, mit einem auf solche Krisen spezialisierten Schauspiellehrer zu arbeiten. Stattdessen zieht er sich komplett zurück.

Nach mehreren Monaten Einsamkeit bekommt Axler Besuch von der Tochter zweier Kollegen, Pegeen Stapleford, 25 Jahre jünger als er und eigentlich lesbisch. Sie verführt Axler und beginnt mit ihm eine Affäre, in der es Axler großes Vergnügen bereitet, in Pegeen das zu wecken, was man gemeinhin die feminine Seite nennt: Er kauft ihr Kleider, überredet sie zu einer neuen Frisur usw. Pegeens Eltern reagieren auf die Affäre besorgt: Sie warnen ihre Tochter davor, dass sie sich bald in einer Beziehung zu einem Siebzigjährigen wiederfinden wird, der sie mehr als Pflegerin denn als Partnerin nötig haben wird. Trotz dieses Widerstandes finden die ungleichen Partner ein labiles Gleichgewicht, das erst ins Wanken kommt, als sie sich auf ein sexuelles Experiment einlassen …

Der US-amerikanische Schriftsteller Philip Roth (geb. 1933) legt seine längeren Erzählungen derzeit im Jahresrhythmus vor. Mit »Die Demütigung« ist ihm einmal mehr ein eindringliches Porträt eines alternden Mannes gelungen.

Philip Roth: Die Demütigung. Aus d. Amerikanischen v. Dirk van Gunsteren. München: Hanser, 2010. ISBN: 978-3-446-23493-2. Preis: € 15,90.