Das dritte Tagebuch

Als der Schweizer Architekt und Autor Max Frisch (1911–1991) im Jahr 1950 sein erstes Buch bei einem bundesdeutschen Verlag veröffentlichte, erzielte er damit sogleich einen Achtungserfolg bei den deutschen Kritikern, obwohl das Buch den Erwartungen, die sein Titel »Tagebuch 1946–1949« weckte, kaum entsprach. Denn statt eines Tagebuchs im herkömmlichen Sinne fanden die Leser eine durchkomponierte Sammlung von Texten vor, die immer wieder um eine kleine Anzahl von Themen kreisten: z. B. rassistische Vorurteile, Liebe und Eifersucht, Nachkriegs-Deutschland und auch die Schweiz. Eingestreut fanden sich kürzere Erzählungen, die später als Grundlage für Theaterstücke Frischs dienen sollten.

Anfang der 70er-Jahre folgte das »Tagebuch 1966–1971«, das einerseits sehr viel offener politisch war, andererseits noch freier mit Textformen experimentierte. So enthielt das zweite Tagebuch unter anderem jene berühmten Fragebögen, mit denen Frisch seine Leser dazu bringen wollte, sich über ihre eigenen Positionen und Meinungen Rechenschaft zu geben.

Dieses Jahr ist nun aus dem Nachlass Max Frischs ein Fragment eines dritten Tagebuchs erschienen. Die Texte sind in den Jahren 1982 und 1983 entstanden und füllen knapp 200 großzügig gesetzte Seiten. Auch diesmal wieder gibt es eine Anzahl von Themen, die die Texte aus immer wechselnder Perspektive umkreisen: Max Frisch und die Frauen, Tod und Sterben, Wohnorte und Reisen und nicht zuletzt der Blick eines Europäers auf die USA und ihre Politik.

Für Freunde der Prosa Max Frischs ein Muss, für alle anderen eine anregende Lektüre zum Blättern und Entdecken.

Max Frisch: Entwürfe zu einem dritten Tagebuch. Berlin: Suhrkamp, 2010. ISBN: 978-3-518-42130-7. Preis: € 17,80. Dieser Titel kann in der Stadtbibliothek Solingen über die Bergisch-Bib entliehen werden.