Arthur Gordon Pym

Edgar Allan Poe (1809–1849) war unter den ersten amerikanischen Schriftstellern, die versucht haben, vom Schreiben zu leben. Er arbeitete für die damals neu entstehenden Magazine, die damals aufgrund von Fortschritten in der Drucktechnik und den verbesserten Vertriebsmöglichkeiten durch die Eisenbahn in großer Zahl gegründet wurden. Diese Magazine kamen dem schriftstellerischen Talent Poes entgegen, da er ein Meister sowohl des Gedichts als auch der kurzen Erzählung war. Doch konnte man als Zeitungsschreiber und -redakteur nur wenig überregionalen Ruhm erwerben. Deshalb entschloss sich Poe, einen Roman zu schreiben, und er legte es mit Konsequenz auf einen Bestseller an.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfreuten sich sowohl Romane als auch Sachbücher, die von den Abenteuern der Seefahrt handelten, großer Beliebtheit. Und so schickt auch Poe seinen Helden Arthur Gordon Pym auf eine Seereise, die ihn nach einer Reihe von nahezu unglaublichen Abenteuern und Entbehrungen – Meuterei, Schiffsbruch, wochenlanges Treiben auf hoher See – endlich in die damals noch weitgehend unerforschten Gebiete der Antarktis verschlägt. Dort entdeckt man auf der Insel Tsalal einen Volksstamm, der noch in steinzeitlichen Verhältnissen lebt. Obwohl diese ›Wilden‹ zuerst freundlich scheinen, greifen sie ihre Entdecker schließlich an und zerstören ihr Schiff. Nur Pym kann mit einem Kameraden entkommen und treibt nun in einem kleinen Boot immer weiter dem Südpol zu …

Poes einziger Roman ist mit seiner überbordenen und exaltierten Phantasie bis heute eines der bedeutenden Muster der Abenteuer- und phantastischen Literatur geblieben.

Edgar Allan Poe: Der Bericht des Arthur Gordon Pym. Insel Taschenbuch 1449. ISBN: 978-3-458-33149-0. Preis: € 9,00. Dieser Titel kann in der Stadtbibliothek Solingen als Hörbuch und auf CD-ROM entliehen werden.

Diktate über Sterben und Tod

Am 19. Dezember 1981 bekam der 56-jährige Schweizer Jurist Peter Noll eine schlimme Diagnose gestellt: Blasenkrebs in fortgeschrittenem Stadium. Er war damals ordentlicher Professor für Strafrecht in Zürich, ein angesehener, wenn auch nicht immer bequemer Kollege, befreundet mit zahlreichen Künstlern und Schriftstellern, darunter auch Max Frisch. Nach einer Konsultation mit seinem Arzt, trifft Noll sehr rasch eine überraschende Entscheidung: Er wird sich nicht operieren lassen, selbst wenn sich eine solche Operation als möglich erweisen sollte. Er ist nicht bereit, die mit der Therapie einhergehende Einbuße an Selbstbestimmung und Lebensqualität hinzunehmen. Er will seine letzten Tage würdevoll, bewusst und so selbstständig wie möglich verleben, auch wenn das bedeutet, dass er nur noch wenige Monate zu leben haben wird. Am 28. Dezember beginnt er auf Vorschlag von Max Frisch ein Tagebuch, dass seine letzten Lebensmonate und sein Sterben dokumentiert. Am 9. Oktober 1982 stirbt Peter Noll nach einer kurzen Agonie. Sein Tagebuch ist erstmals 1984 erschienen.

Natürlich ist es außergewöhnlich, dass sich in unserem medizinischen Zeitalter ein Todkranker gegen eine Behandlung und für seinen Tod entscheidet. Wirklich erstaunlich aber ist, wie gelassen und ruhig Peter Noll mit dieser allen Menschen bevorstehenden Erfahrung umgeht. Seine lebenslange Auseinandersetzung mit seinem christlichen Glauben bildet die Grundlage dieser Gelassenheit. Ein Buch für alle, die bereit sind, sich mit der unumgehbaren Endlichkeit unserer Existenz auseinanderzusetzen.

Peter Noll: Diktate über Sterben und Tod. Piper Taschenbuch 5723. ISBN: 978-3-492-25723-7. Preis: € 9,95. Dieser Titel kann in der Stadtbibliothek Solingen über die Bergisch-Bib entliehen werden.

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Beim Leben meiner Schwester

Die Fitzgeralds haben drei Kinder: den ältesten Sohn Jesse (Evan Ellingson) und die beiden Mädchen Kate (Sofia Vassilieva) und Anna (Abigail Breslin). Anna ist ein Wunschkind der besonderen Sorte. Als ihre Schwester Kate noch sehr klein war, wurde bei ihr Leukämie diagnostiziert. Ein der behandelnden Ärzte weist Kates Eltern darauf hin, dass es durch eine Zeugung im Reagenzglas möglich sei, für Kate gezielt eine Spenderin für Transfusionen und Knochenmark zu erzeugen. Aus diesem Grund wurde Anna geboren.

Zu Beginn des Films ist Anna elf Jahre alt. Kates Krankheit verschlimmert sich: Ihre Nieren versagen, und sie benötigt dringend eine Spenderniere. Doch Annas Bereitschaft, ihrer Schwester zu helfen, scheint an ihre Grenze gekommen zu sein. Anna sucht einen berühmten Rechtsanwalt (Alec Baldwin) auf und bitte ihn darum, einen Prozess um ihr Recht auf medizinische Selbstbestimmung zu führen. Es ist nicht verwunderlich, dass dies in der Familie zu einer schweren Krise führt. Besonders Kates und Annas Mutter Sara (Cameron Diaz), selbst eine ausgebildete Juristin, ist bereit, alles zu tun, um das Leben ihrer Tochter Kate zu verlängern. Und so kommt es tatsächlich zum Prozess zwischen Anna und ihren Eltern. Doch im Laufe der Verhandlungen stellt sich heraus, dass Anna ganz andere Motive hat, als sie vorgibt …

Schauspieler und Regisseur Nick Cassavetes hat mit »My Sister’s Keeper« ein eindringliches Drama geschaffen, das in allen Rollen mit brillanten schauspielerischen Leistungen glänzt.

»Beim Leben meiner Schwester«. USA, 2009. 1 DVD, Warner Brothers. Sprache: Deutsch, Englisch, Italienisch. Länge: ca. 105 Minuten. Extras: Zusätzliche Szenen. FSK: ab 12 Jahren. Preis: ca. € 10,–.

Robinson Crusoe

Wann genau Daniel Defoe geboren wurde, weiß heute keiner mehr, aber es wird vor etwa 350 Jahren in London gewesen sein. An der Wiege hat man ihm nicht gesungen, dass er einst ein weltberühmter Autor werden würde. Defoe, der nach dem Willen des Vaters Geistlicher hätte werden sollen, schlug erst einmal eine Kaufmannskarriere ein. Nach einem großen Bankrott schlug er sich als Essayist und Journalist durch, bis im Jahr 1719 – Defoe war bereits 59 Jahre alt – sein erster Roman erschien, der zugleich der erste englische Roman im modernen Sinne war: Robinson Crusoe.

Die allermeisten Leser kennen von diesem Buch nur den ersten Teil, in dessen Zentrum die 28 Jahre stehen, die Robinson mehr oder weniger allein auf einer Insel verbringt. Nicht so bekannt dürfte hierzulande sein, dass Defoe dem Inselabenteuer einen zweiten Band folgen ließ, in dem Robinson nicht nur als reicher Mann zu seiner Insel zurückkehrt und dort ordnend in einen von Engländern und Spaniern gegründeten Staat eingreift, sondern auch zahlreiche weitere Abenteuer in China, Indien, Persien und Russland erlebt. Defoe hat sogar noch einen dritten Band folgen lassen, der Essays enthält, die vorgeblich aus der Feder Robinsons stammen.

Doch allein schon mit dem Insel-Abenteuer des Robinson Crusoe ist es Defoe gelungen, ein Roman-Genre zu begründen, das sich bis heute ungebrochener Beliebtheit erfreut. Noch immer ist es eine der großen Herausforderungen für den Menschen, ob es ihm – und sei es auch nur in der Phantasie – gelingt, auf sich gestellt und nur mit spartanischen Mitteln ausgerüstet vor der Natur zu bestehen.

Daniel Defoe: Robinson Crusoe. Erster u. zweiter Teil. Deutsch v. Lore Krüger. Aufbau Taschenbuch 2612. ISBN: 978-3-7466-2612-3. Preis: € 11,95.

Zettel’s Traum

Im Jahr 1964 kündigte der Schriftsteller Arno Schmidt (1914–1979) sein nächstes Buch in seiner eigenwilligen Rechtschreibung wie folgt an: »Ich werde mich in meine großen, nunmehr brechend=follen Zettelkästen zurückziehen; und daraus, binnen Jahresfrist, mit einem 1000=Seiten=Text auftauchen, dergleichen man zwischen den vier Ekken eines Buches bisher noch nicht erblickt hat.« Es hat dann doch erheblich länger als ein Jahr gedauert, aber herausgekommen ist tatsächlich ein Buch, wie man es zuvor noch nie erblickt hatte. Als »Zettel’s Traum« 1970 erschien, war es die Sensation auf dem Buchmarkt: Es wog fast 10 kg und hatte über 1330 Seiten im DIN-A3-Format, die nicht einen gesetzten Text präsentierten, sondern eine photomechanische Wiedergabe des Typoskriptes des Autors mit seinen handschriftlichen Korrekturen, Ergänzungen und Streichungen. Die Textmenge entspricht ungefähr 4.000 normalen Buchseiten, und um die Skurrilität auf die Spitze zu treiben, umfasst die Handlung nur einen einzigen Hochsommertag der späten 60er Jahre in der Lüneburger Heide. Hinzu kam, dass Schmidt sich aufgrund seiner psychoanalytischen Sprachtheorie nicht an die Duden-Rechtschreibung gehalten hatte. Und obwohl das Buch den damals astronomischen Preis von 295 DM kostete, waren alle 2.000 Exemplare der ersten Auflage bereits bei Auslieferung verkauft.

Nun erscheint in diesen Tagen »Zettel’s Traum« erneut, diesmal im ordentlichen Buchsatz auf über 1.500 Seiten. Mit dieser Neuausgabe wird einer der umfangreichsten und originellsten Romane der deutschen Literatur wiederentdeckt.

Arno Schmidt: Zettel’s Traum. Studienausgabe in 4 Bänden. Berlin: Suhrkamp, 2010. ISBN: 978-3-518-80300-4. Preis: € 198,–. Die ursprüngliche Typoskriptausgabe kann in der Stadtbibliothek Solingen über die Bergisch-Bib entliehen werden.

60 Jahre Peanuts

Am 2. Oktober 1950 erschien in gleich acht US-amerikanischen Zeitungen ein Comicstreifen, der aus vier simplen, schwarz-weißen Bildchen besteht: Aus der Ferne des Bildes kommt ein kleiner Junge, der an zwei anderen auf dem Bordstein sitzenden Kindern vorbeigeht. Aus dem Kommentar eines der sitzenden Kinder erfahren wir, dass es der »gute, alte Charlie Brown« ist, der da vorübergeht. Wohl niemand, auch nicht der Autor des Comicstrips Charles M. Schulz (1922–2000), konnte damals ahnen, dass dies der Auftakt zu einem bis heute ungebrochen anhaltenden, weltweiten Erfolg sein würde.

Die Charaktere haben sich langsam entwickelt: Zu Anfang war Charlie Brown eher eine kleiner Raufbold, später wird er in jedem Sinne die Verkörperung des »kleinen Mannes«, eines Jungen, dem vieles misslingt, der von seinen Kameraden oft schief angesehen wird, der Besitzer des merkwürdigsten Beagles des Welt und Captain des schlechtesten Baseball-Teams aller Zeiten. Aber Charlie lässt sich von all dem nicht unterkriegen. So oft er auch über sein Leben und sein Unglück seufzt, wir können sicher sein, dass er schon morgen wieder verhalten optimistisch in die Welt schauen wird.

Die »Peanuts« wurden in 21 Sprachen übersetzt, später wurden sie auch koloriert, wurden Fernseh- und Kinohelden und ihre Abenteuer wurden auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs nahezu gleichzeitig von 355 Millionen Lesern in 75 Ländern verfolgt. Schulz hat mit den »Peanuts« eine Welt geschaffen, die ausschließlich von Kindern er- und durchlebt wird. Erwachsene kommen zwar vereinzelt vor (oft nur als ein paar Beine oder eine quäkende Stimme), aber Schulz’ Sympathie gehört immer den »kleinen Leuten«, wie er die Serie ursprünglich hatte nennen wollen.

Sowohl im Buchhandel als auch in der Stadtbibliothek Solingen sind zahlreiche Bücher und Videos der »Peanuts« zu finden.

Eristische Dialektik

Als der Philosoph Arthur Schopenhauer am 21. September vor 150 Jahren starb, hinterließ er eine bedeutende Menge von Notizen. Die frühesten stammen bereits aus dem Jahr 1804, als Schopenhauer gerade einmal 16 Jahre alt war und noch einer Kaufmannslehre in Danzig nachging. Darunter fand sich auch eine weitgehend ausgearbeitete Schrift über die Kunst des Streitens, genauer: über die Kunst, Recht zu behalten. Schopenhauer nannte dieses kleine Lehrbuch, das 38 argumentative Kniffe aufführt, »Eristische Dialektik« – eristisch nach der altgriechischen Göttin der Zwietracht, Eris, und Dialektik als Bezeichnung für die Kunst des Argumentierens.

Die Grundidee des Büchleins ist es, jene rhetorischen Tricks zu lehren, mit denen gute Redner in der Lage zu sein scheinen, immer im Recht zu bleiben, so sehr ihnen ihr Gegenüber auch zusetzt. Schopenhauer nennt zwei Gründe, warum jeder, der diskutiert, diese Kniffe kennen sollte: Zum einen, um ihre Anwendung gegen einen selbst zu erkennen und den Kniff entlarven zu können. Zum anderen aber auch, damit man selbst seinen Standpunkt nicht vorschnell aufgeben muss, bloß weil einem im Augenblick nicht das richtige Argument einfällt. Man kann also versuchen, auch gegen die scheinbar stärkeren Argumente vorerst Recht zu behalten, in der Hoffnung, dass einem das bessere Argument später doch noch einfallen wird.

Dass dieser letzte Grund moralisch etwas fragwürdig ist, hat Schopenhauer vielleicht davon abgehalten, das Büchlein zu veröffentlichen. Nichtsdestotrotz ist es zu einer seiner meistgelesenen Schriften geworden.

Arthur Schopenhauer: Eristische Dialektik oder die Kunst, Recht zu behalten. Zürich: Kein & Aber, 2009. ISBN: 978-3-0369-5269-7. Preis: € 9,90. Dieser Titel kann im digitalen Angebot der Stadtbibliothek Solingen als Hörbuch heruntergeladen werden.

Unser allerbestes Jahr

Jesse, der Sohn des kanadischen Schriftstellers David Gilmour (geb. 1949), quält sich durch die Schule. Jesse ist sechzehn, ein netter und umgänglicher Junge, beliebt bei den Nachbarn und auch in der Schule, nur ist er eben ein miserabler Schüler und schwänzt den Unterricht, wann er nur kann. Deshalb entschließt sich sein Vater eines Tages zu einem radikalen Schritt: Er bietet Jesse an, er brauche ab sofort nicht mehr zur Schule zu gehen, brauche sich auch keinen Job zu suchen, sondern könne mit seiner Zeit machen, was er wolle. Nur zwei Bedingungen stellt der Vater: Keine Drogen und Jesse muss sich zusammen mit seinem Vater drei Filme in der Woche anschauen, die der Vater aussucht. Jesse ist sofort mit dem Vorschlag einverstanden.

»Unser allerbestes Jahr« (Originaltitel: »The Film Club«) ist der autobiografische Bericht David Gilmours über dieses pädagogische Experiment, bei dem ihm als Vater zu Anfang durchaus nicht ganz wohl ist. Aber mit der Zeit stellt sich heraus, dass Jesse das in ihn gesetzte Vertrauen durchaus zu rechtfertigen weiß: Nach einer Weile sucht er sich sogar einen Job, er macht mit seinem musikalischen Hobby ernst und fängt an, in kleinen Clubs aufzutreten, und er bekommt von seinem Vater wie nebenbei eine Grundausbildung als Filmkritiker.

»Unser allerbestes Jahr« ist ein leichtes, gut lesbares, aber deshalb nicht anspruchsloses Buch über eine Vater-Sohn-Beziehung, die aus der Pubertät des Sohnes gestärkt hervorgeht. Es steht auf der Auswahlliste zum Deutschen Jugendliteraturpreis 2010, ist aber durchaus auch Eltern zu empfehlen.

David Gilmour: Unser allerbestes Jahr. Aus dem Englischen von Adelheid Zöfel. Fischer Taschenbuch 18224. ISBN: 978-3-596-18224-4. Preis: € 9,95.

Adam

Wir lernen Adam Raki (Hugh Dancy) auf der Beerdigung seines Vaters kennen. Auf Anhieb kommt einem der junge Mann etwas verloren vor, und dieser Eindruck verstärkt sich von Minute zu Minute. Adam isst jeden Tag die gleichen Mahlzeiten und arbeitet in einer kleinen Spielzeugfabrik, für die er Prototypen elektronischer Puppen entwickelt. In seiner Freizeit surft er im Internet und interessiert sich hauptsächlich für Astronomie. Freunde scheint Adam keine zu haben bis auf Harlan (Frankie Faison), einen Kriegskameraden seines Vaters, der sich ein wenig um ihn kümmert.

Doch in Adams Leben stehen dramatische Veränderungen bevor: Zum einen bekommt er eine neue Nachbarin, Beth Buchwald (Rose Byrne), eine junge Kinderbuchautorin. Sie findet Adam sofort sympathisch, und da sie sich gerade von ihrem Freund getrennt hat, lernen sich die beiden rasch näher kennen. Zur gleichen Zeit verliert Adam seinen Job und muss sich nach einer neuen Arbeitsstelle umschauen. Für den menschenscheuen und weltfremden Adam ist das eine fast nicht zu bewältigende Aufgabe. Doch Harlan und Beth lassen ihn nicht im Stich …

Regisseur und Autor Max Mayer erzählt in seinem zweiten Spielfilm eine stille Liebesgeschichte, in deren Zentrum ein junger Mann mit Asperger-Syndrom, einer autistischen Erkrankung, steht. Die Darstellung dieser Erkrankung kommt dabei aufgrund der schauspielerischen Leistung des Hauptdarstellers weitgehend ohne Klischees aus. Ein witziger und einfühlsamer Film.

»Adam«. USA, 2009. 1 DVD, 20th Century Fox. Sprachen: Deutsch, Englisch, Spanisch. Länge: ca. 95 Minuten. Extras: Audiokommentar des Regisseurs; Making-of; geschnittene Szenen u. alternatives Ende. FSK: ab 6 Jahren. Preis: ca. € 13,–.

Die Leinwand

Bei Benjamin Steins Roman »Die Leinwand« handelt es sich schon äußerlich um eine der ungewöhnlichsten Neuerscheinungen in diesem Jahr. Das Buch enthält zwei Texte, die Rücken an Rücken unter einem Buchdeckel vereint sind. Man kann das Buch also entweder auf der einen oder auf der anderen Seite zu lesen beginnen und begegnet dabei jeweils einer Hälfte des Romans, die wenigstens zu Anfang mit der anderen Hälfte nur wenig zu tun zu haben scheint. Der Autor überlässt es ganz bewusst dem Leser, mit welcher Hälfte er beginnen möchte, oder ob er immer wieder zwischen beiden wechseln möchte.

Erzählt werden die Lebensgeschichten von Jan Wechsler und Amnon Zichroni. Amnon wird in Israel geboren, wächst aber in der Schweiz bei einem Nenn-Onkel auf, der für seine Erziehung sorgt. Amnon hat die bemerkenswerte Fähigkeit, Erinnerungen anderer Menschen spontan selbst zu durchleben, wenn er diese Menschen berührt. Jan Wechsler dagegen wächst in Ost-Berlin auf und schlägt sich als mäßig erfolgreicher Schriftsteller und Journalist durch. Beider Leben ist verbunden durch ihre Bekanntschaft mit dem Geigenbauer Minsky, der ein Buch über seine Kindheit in einem NS-Vernichtungslager veröffentlicht hat. Jan Wechsler recherchiert die Lebensgeschichte Minskys und findet heraus, dass dessen vorgebliche Erinnerungen frei erfunden zu sein scheinen. Tatsächlich ist Minsky das Kind Schweizer Eltern und war nie in einem Konzentrationslager interniert. Was diese Enthüllung für Minsky, Amnon und Jan für Folgen hat, soll hier nicht verraten werden. Eine sowohl formal als auch inhaltlich höchst ungewöhnliche Lektüre.

Benjamin Stein: Die Leinwand. München: C.H. Beck, 2010. ISBN: 978-3-406-59841-8. Preis: € 19,95.