Der Mitmacher

Am 5. Januar vor 90 Jahren wurde im Schweizerischen Konolfingen Friedrich Dürrenmatt als Sohn eines reformierten Geistlichen geboren. Sein Vaterhaus hatte einen tiefen Einfluss auf Dürrenmatts Denken, auch wenn er nicht die Karriere eines Geistlichen anstrebte. Im Gegenteil begann der junge Künstler Philosophie zu studieren, noch unsicher, welchem seiner beiden Talente er folgen wollte: der Schriftstellerei oder der Malerei. Doch nach dem Zweiten Weltkrieg war er eines der jungen Talente der Schweiz, das am Schauspielhaus Zürich aufgeführt wurde. Seinen Durchbruch als Schriftsteller hatte er aber erst mit seinem ersten Kriminalroman »Der Richter und sein Henker« (1950). Als mit »Der Besuch der alten Dame« und »Die Physiker« dann gleich zwei seiner Stücke internationale Erfolge wurden, war seine Karriere endgültig festgelegt.

Doch nicht alle Stück Dürrenmatts waren erfolgreich: Im Jahr 1972 entstand »Der Mitmacher«, der sowohl bei der Uraufführung in Zürich als auch in Mannheim komplett durchfiel. Dieser Misserfolg veranlasste Dürrenmatt sich nochmals intensiv mit dem Stück auseinanderzusetzen. Und so erschien vier Jahre später sein Buch »Der Mitmacher. Ein Komplex«, indem das Stück nicht nur um ein Nachwort, sondern auch noch durch ein Nachwort zum Nachwort ergänzt wurde. Hier arbeitet Dürrenmatt nicht nur den philosophischen Hintergrund des gescheiterten Dramas aus, sondern liefert auch eine Auseinandersetzung mit der Tradition des europäischen Theaters, die in der brillanten Erzählung »Das Streben der Pythia« gipfelt.

Ein Buch, das eine Wiederentdeckung des Denkers Dürrenmatt ermöglicht.

Friedrich Dürrenmatt: Der Mitmacher. Ein Komplex. Diogenes Taschenbuch 23054. ISBN: 978-3-257-23054-3. Preis: € 9,90.

Zettel’s Traum

Im Jahr 1964 kündigte der Schriftsteller Arno Schmidt (1914–1979) sein nächstes Buch in seiner eigenwilligen Rechtschreibung wie folgt an: »Ich werde mich in meine großen, nunmehr brechend=follen Zettelkästen zurückziehen; und daraus, binnen Jahresfrist, mit einem 1000=Seiten=Text auftauchen, dergleichen man zwischen den vier Ekken eines Buches bisher noch nicht erblickt hat.« Es hat dann doch erheblich länger als ein Jahr gedauert, aber herausgekommen ist tatsächlich ein Buch, wie man es zuvor noch nie erblickt hatte. Als »Zettel’s Traum« 1970 erschien, war es die Sensation auf dem Buchmarkt: Es wog fast 10 kg und hatte über 1330 Seiten im DIN-A3-Format, die nicht einen gesetzten Text präsentierten, sondern eine photomechanische Wiedergabe des Typoskriptes des Autors mit seinen handschriftlichen Korrekturen, Ergänzungen und Streichungen. Die Textmenge entspricht ungefähr 4.000 normalen Buchseiten, und um die Skurrilität auf die Spitze zu treiben, umfasst die Handlung nur einen einzigen Hochsommertag der späten 60er Jahre in der Lüneburger Heide. Hinzu kam, dass Schmidt sich aufgrund seiner psychoanalytischen Sprachtheorie nicht an die Duden-Rechtschreibung gehalten hatte. Und obwohl das Buch den damals astronomischen Preis von 295 DM kostete, waren alle 2.000 Exemplare der ersten Auflage bereits bei Auslieferung verkauft.

Nun erscheint in diesen Tagen »Zettel’s Traum« erneut, diesmal im ordentlichen Buchsatz auf über 1.500 Seiten. Mit dieser Neuausgabe wird einer der umfangreichsten und originellsten Romane der deutschen Literatur wiederentdeckt.

Arno Schmidt: Zettel’s Traum. Studienausgabe in 4 Bänden. Berlin: Suhrkamp, 2010. ISBN: 978-3-518-80300-4. Preis: € 198,–. Die ursprüngliche Typoskriptausgabe kann in der Stadtbibliothek Solingen über die Bergisch-Bib entliehen werden.

Frost/Nixon

Als Richard M. Nixon am 9. August 1974 als erster und bislang einziger US-amerikanischer Präsident von seinem Amt zurücktrat, wurde dies in allen Medien weltweit mit der größten Aufmerksamkeit verfolgt. Zu dieser Zeit war David Frost als Fernseh-Moderator und Talkmaster in England und Australien tätig. Er gehörte zu jener exklusiven Gruppe, die man damals »Jet-Set« nannte. Frost spekulierte darauf, dass ein Interview mit Nixon auf breites Interesse stoßen würde. Er fragte bei Nixons Agenten an, und da er bereit war, 600.000 $ für das Interview zu zahlen, bekam er den Zuschlag. Nixon rechnete damit, sich in diesem Interview im besten Licht darstellen und sein ruiniertes Image wieder aufpolieren zu können. Noch während das Interview produziert wurde, das sich schließlich als eines der wichtigsten Dokumente zur neueren amerikanischen Geschichte erweisen sollte, unternahm Frost verzweifelte Versuche, es an einen der großen Sender zu verkaufen und so die Finanzierung des Projekts zu sichern; doch wider Erwarten zeigte kein Sender Interesse …

Regisseur Ron Howard (»A Beautiful Mind«, »The Da Vinci Code«) hat mit seinen beiden Hauptdarstellern Michael Sheen und Frank Langella aus diesem Material einen ebenso informativen wie spannenden Spielfilm gemacht, in dem nicht nur die Vorgeschichte des Zustandekommens, sondern auch das Interview selbst breiten Raum einnimmt. Dieser Film demonstriert einmal mehr, dass die Verfilmung historischer Ereignisse zugleich interessant und exakt sein kann.

»Frost/Nixon«. USA, 2008. 1 DVD, Universal. Sprachen: Deutsch, Englisch, Russisch. Länge: ca. 117 Minuten. Extras: Kommentar des Regisseurs, Making-of, entfallene Szenen, Ausschnitte aus den Original-Interviews u.a. FSK: ab 6 Jahren. Preis: ca. € 8,–.

Mogadischu

Obwohl die Zweite Generation der RAF-Terroristen Anfang September 1977 den Arbeitgeber-Präsidenten Hanns Martin Schleyer entführt hatte, gelang es ihr nicht, ihrem eigentlichen Ziel, der Freipressung der RAF-Gefangenen, näher zu kommen. Die Bundesregierung unter Bundeskanzler Helmut Schmidt hielt die Terroristen hin in der Hoffnung auf einen Fahndungserfolg und eine Befreiung des Entführten. Die RAF entschloss sich daher, ihre internationalen Beziehungen zu nutzen, um den Druck auf die Bundesregierung zu verstärken.

Daher entführten am 13. Oktober 1977 vier Palästinenser – zwei Männer und zwei Frauen – die Lufthansa-Maschine »Landshut«, die sich auf dem Weg von Palma de Mallorca nach Frankfurt befand. Die Forderung der Entführer lautete ebenfalls auf Freilassung der RAF-Inhaftierten. An Bord der Maschine befanden sich außer den Terroristen 82 Passagiere und fünf Besatzungsmitglieder.

Die Entführung entwickelte sich zu einer fünftägigen Odyssee, die die Entführten mehr als einmal an den Rand des Todes brachte. Wie bekannt konnte schließlich eine Einsatzgruppe der GSG-9 auf dem Flughafen der somalischen Hauptstadt Mogadischu alle Geiseln befreien. Einziges Opfer der Terroristen blieb der Pilot der Maschine Jürgen Schumann, der nach der Zwischenlandung in Aden erschossen worden war.

Regisseur Roland S. Richter hat 2008 im Auftrag der ARD diese Geschichte zu einem packenden Spielfilm verarbeitet. Ohne jegliche Effekthascherei dokumentiert er minutiös die fünf Tage der Entführung sowohl in der Maschine selbst als auch in Bonn bei der Bundesregierung. Ein Doku-Drama im besten Sinne!

»Mogadischu«. Deutschland, 2008. 1 DVD, Warner Brothers. Sprache: Deutsch. Länge: ca. 108 Minuten. Extras: Making-of. FSK: ab 12 Jahren. Preis: ca. € 8,–.