JĂŒdische Witze

Vor 50 Jahren erschien im Schweizer Olten-Verlag eine soziologische Studie der damals noch gĂ€nzlich unbekannten Salcia Landmann (1911–2002). Es handelte sich um einen kulturhistorischen Aufsatz, der sich mit dem PhĂ€nomen des jĂŒdischen Humors beschĂ€ftigte. Was das Buch aber zu einem außergewöhnlichen Erfolg machte und weshalb es bis heute immer noch im Druck ist, ist nicht dieser Aufsatz, sondern dass Salcia Landmann, quasi als Anhang, ihre Sammlung jĂŒdischer Witze abdrucken ließ, die sie in vielen Jahren gesammelt hatte: Den knapp 50 Seiten der Studie folgen immerhin gut 200 Seiten mit Witzen.

Dieser ersten Sammlung jĂŒdischen Humors nach dem Zweiten Weltkrieg sind inzwischen zahlreiche andere gefolgt, aber das BĂŒchlein von Salcia Landmann ragt immer noch ein StĂŒck aus der Konkurrenz heraus, weil es den jĂŒdischen Witz in seinen zahlreichen Facetten dokumentiert. Einige der Witze könnten mit kleinen Abwandlungen genau so gut als »christliche« Witze durchgehen (falls es so etwas gibt), aber die meisten spiegeln doch jĂŒdische Kultur und Lebenserfahrung wider:

Ein Kosak und ein Jude stehen vor dem Richter. Der Jude behauptet, der Kosak habe ihm sein Pferd gestohlen.
»Nein, ich habe das Pferd gefunden«, behauptet der Kosak.
Der Jude fĂ€ngt an zu schreien: »Wie heißt: gefunden? Ich habe auf dem Pferd gesessen! Er hat mich mit Peitschenhieben und FauststĂ¶ĂŸen auf die Straße hinuntergeworfen!«
»Stimmt das oder nicht?« will der Richter wissen.
»Nun ja«, gibt der Kosak zögernd zu, »ich habe sie beide gefunden, den Juden und das Pferd, aber fĂŒr den Juden hatte ich keine Verwendung.«

Salcia Landmann: JĂŒdische Witze. dtv 21017. ISBN: 978-3-423-21017-1. Preis: € 9,95. Dieser Titel kann in der Stadtbibliothek Solingen ĂŒber die Bergisch-Bib entliehen werden.

Verschwindende Dinge

Unsere Zivilisation verĂ€ndert sich mit rasender Geschwindigkeit. StĂ€ndig kommen neue GegenstĂ€nde in die Welt und auf uns zu, von deren Existenz wir gestern noch nicht nötig hatten zu trĂ€umen. Touchscreens, mp3-Player, elektronische BĂŒcher, iPhones, die elektrische Nassrasur und ZahnbĂŒrsten mit Bluetooth-Bildschirm. Kurt Tucholsky bemerkte schon 1932, als er das ganze Ausmaß der Entwicklung noch nicht einmal erahnen konnte, völlig richtig: »Man sollte gar nicht glauben, wie gut man auch ohne die Erfindungen des Jahres 2500 auskommen kann!«

Was wir aber ĂŒber der Flut der Neuerungen leicht vergessen, sind jene Dinge, die verdrĂ€ngt werden, die Platz machen mĂŒssen fĂŒr die Neuerungen sowohl in unseren Köpfen als auch in den SchrĂ€nken. Volker Wieprecht und Robert Skuppin, zwei erfolgreiche Radiomoderatoren, haben sich jener verschwindenden Dinge angenommen und ein nostalgisches, leicht sentimentales, aber immer witziges »Lexikon der verschwundenen Dinge« zusammengestellt. Sie gedenken darin solcher Dinge wie dem VW KĂ€fer, dem 2CV und dem R4, der Musik-Cassette und der Hi-Fi-Anlage, dem Telegramm oder dem Paternoster. Aber sie beschĂ€ftigen sich nicht nur der Technik: Auch die Missionarsstellung, Lebertran oder gar die »höchste Aufmerksamkeit« sind ihnen EintrĂ€ge wert. Dass sie sich selbst und ihr Lexikon dabei nicht so sehr ernst nehmen, machen spĂ€testens die Artikel zu Margot Honecker, Haaren – hier können zumindest zahlreiche MĂ€nner deren langsames Verschwinden bedauernd bestĂ€tigen – oder der »absoluten Mehrheit« klar.

Ein amĂŒsantes BĂŒchlein zum Stöbern, Schmökern und Erinnern.

Volker Wieprecht u. Robert Skuppin: Das Lexikon der verschwundenen Dinge. Berlin: Rwohlt Berlin, 2009. ISBN: 978-3-87134-639-2. Preis: € 17,90.

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2666

Roberto Bolaño, geboren 1953 in Chile als Sohn eines LKW-Fahrers, gestorben 2003 im spanischen Exil an Leberversagen, gilt als einer der wichtigsten sĂŒdamerikanischen ErzĂ€hler der Generation nach Julio CortĂĄzar, Garcia MĂĄrques und Vargas Llosas. An seinem nachgelassenen Roman mit dem mysteriösen Titel »2666« hat er die letzten fĂŒnf Jahre vor seinem Tod gearbeitet. Er wollte, dass die fĂŒnf Teile des Romans als getrennte Publikationen erscheinen, da er auf diese Weise hoffte, seine Frau und die beiden gemeinsamen Kinder besser versorgen zu können. Aber die Angehörigen und der Verleger haben sich dennoch entschlossen, die fĂŒnf Teile in einem Band drucken zu lassen. Die Übersetzung ins Englische war 2008 in den USA ein großer Erfolg bei Lesern und Kritikern, und auch die deutsche Fassung stand im vergangenen Jahr auf den Bestsellerlisten.

ErzĂ€hlt werden in den fĂŒnf Teilen fĂŒnf verschiedene Geschichten, die alle mehr oder weniger direkt mit der fiktiven nordmexikanischen Stadt Santa Teresa zu tun haben. Dort finden ganze Reihen von Frauenmorden statt, die der vierte Teil des Romans ausfĂŒhrlich dokumentiert und die die örtliche Polizei vergeblich aufzuklĂ€ren versucht. Aber es wird zum Beispiel auch die Geschichte eines US-amerikanischen Journalisten erzĂ€hlt, der – in Vertretung fĂŒr einen verstorbenen Kollegen – aus Santa Teresa ĂŒber einen Boxkampf berichten soll. Oder die der vier Literaturwissenschaftler, die es bei ihrer Suche nach dem geheimnisumwitterten Autor Benno von Archimboldi nach Santa Teresa verschlĂ€gt.

Mit knapp 1.100 Seiten ein echtes Leseabenteuer zum Schmökern.

Roberto Bolaño: 2666. Aus dem Spanischen von Christian Hansen. MĂŒnchen: Carl Hanser, 2009. ISBN: 978-3-446-23396-6. Preis: € 29,90.

Der Mann schlÀft

Sibylle Berg (geb. 1962 in Weimar) ist derzeit wahrscheinlich die einzige erfolgreiche, wirklich misanthropische Autorin in deutscher Sprache. Ihr erstes Buch erschien 1997 unter dem hĂŒbschen Titel »Ein paar Leute suchen das GlĂŒck und lachen sich tot«. Es erzĂ€hlt in einer erstaunlich unbarmherzigen und schlanken Prosa vom Leben einer Gruppe junger Leute. Schon in diesem ersten Text war ein ganz eigener Ton zu vernehmen, der Sibylle Berg sofort aus dem Gros der sogenannten jungen Autoren heraushob. Sie publiziert seitdem mit schöner RegelmĂ€ĂŸigkeit, neben Romanen und ErzĂ€hlungen inzwischen auch TheaterstĂŒcke, und hat außerdem zwei umfangreiche BĂ€nde mit Abschiedsbriefen herausgegeben, einen mit Frauen, einen zweiten mit MĂ€nnern als Verfasser/innen. Viele Leser werden ihre Texte auch aus der »Zeit« oder der »NZZ« kennen.

Ihr jĂŒngster Roman erschien im letzten Jahr und wurde fĂŒr den Deutschen Buchpreis 2009 nominiert. ErzĂ€hlt wird die Geschichte einer Frau in mittleren Jahren, die nach langen Jahren des Menschenhasses endlich einen Mann findet, mit dem sie zusammenleben kann. Nachdem die beiden vier Jahre zusammen sind, unternehmen sie ihre zweite gemeinsame Urlaubsreise nach Hongkong, genauer auf eine kleine Insel vor Hongkong. Dort verschwindet der Mann eines Tages spurlos 
 ErzĂ€hlt wird die Geschichte in abwechselnden Kapiteln, die zum einen von den vier Jahre des Zusammenlebens, zum anderen von der Zeit nach dem Verschwinden des Mannes berichten. Beide ErzĂ€hlstrĂ€nge vereinigen sich auf den letzten Seiten des Buches.

Ein außergewöhnliches, provokantes und spannendes Buch.

Sibylle Berg: Der Mann schlĂ€ft. MĂŒnchen: Carl Hanser, 2009. ISBN: 978-3-446-23388-1. Preis: € 19,90.

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Atemschaukel

Als im vergangenen Jahr die deutsche Autorin Herta MĂŒller mit dem Nobelpreis fĂŒr Literatur ausgezeichnet wurde, dĂŒrfte dies die allermeisten Leser ĂŒberrascht haben. Zwar wurde ihr Namen von einigen WettbĂŒros gehandelt, aber gerade in Deutschland dĂŒrften sie nur ganz wenige auf der Liste möglicher Kandidaten gehabt haben. MĂŒller wurde 1953 als Tochter eines LKW-Fahrers in RumĂ€nien in die Minderheit der Banater Schwaben hineingeboren. Im Jahr 1987 emigrierte sie in die BRD; sie thematisiert in ihren Romane, ErzĂ€hlungen und TheaterstĂŒcken immer wieder das Leben von Menschen unter den Bedingungen der Diktatur.

Ihren im vergangenen Jahr erschienenen Roman »Atemschaukel« hatte sie zusammen mit ihrem Schriftstellerkollegen und Leidensgenossen Oskar Pastior (1927–2006) geplant, dessen Tod die Realisierung aber vorerst verhinderte. Schließlich hat sich Herta MĂŒller aber entschlossen, den Roman alleine zu schreiben. ErzĂ€hlt wird in kurzen Episoden das Schicksal des jungen Leopold Auberg, der im Januar 1945, nachdem die Russen die deutschen Besatzer aus RumĂ€nien vertrieben haben, als DeutschstĂ€mmiger zur Zwangsarbeit nach Russland deportiert wird. Erst nach fĂŒnf Jahren Plackerei, Hunger, KĂ€lte, Schmutz und Elend darf er zu seiner Familie in einen brĂŒchigen Frieden zurĂŒckkehren.

Entstanden ist eine eindringliche und sprachlich beeindruckend originelle Darstellung nicht nur der fĂŒnf Jahre im Arbeitslager, sondern auch der tiefgreifenden Auswirkungen, die diese Zeit auf das weiterer Leben Leopold Aubergs hat. Noch 60 Jahre nach seiner Entlassung leidet er unter den Folgen der Verschleppung.

Herta MĂŒller: Atemschaukel. MĂŒnchen: Carl Hanser, 2009. ISBN: 978-3-446-23391-1. Preis: € 19,90.

Der Fremde

Am 4. Januar vor 50 Jahren starb der französische Literatur-NobelpreistrĂ€ger Albert Camus in einem Autounfall. Er war unterwegs zurĂŒck nach Paris zusammen mit Michel Gallimard, einem Neffen seines Verlegers. Der Wagen Gallimards kam aus ungeklĂ€rter Ursache auf gerader Strecke von der Straße ab und prallte gegen einen Baum. Camus, der auf dem Beifahrersitz saß, war auf der Stelle tot. Mit ihm verlor Frankreich einen seinen fĂŒhrenden Intellektuellen im Alter von nur 46 Jahren.

Seinen literarischen Durchbruch hatte Albert Camus 1942, als er im von den deutschen besetzten Paris kurz nacheinander zwei BĂŒcher veröffentlichen konnte: Den umfangreichen philosophischen Essay »Der Mythos vom Sisyphos« und den Roman »Der Fremde«. Der Held des in Algier spielenden Romans ist der kleine Angestellte Meursault, der gleich zu Anfang erfĂ€hrt, dass seine Mutter in einem Altersheim verstorben ist. Mit der Teilnahme an ihrer Beerdigung beginnt die Beschreibung der letzten Lebensmonate Meursaults. Durch eine Reihe von ZufĂ€llen kommt es dazu, dass er auf dem berĂŒhmten Höhepunkt des Buches an einem einsamen Strand in einem Moment der Verwirrung einen ihm eigentlich unbekannten Araber erschießt. Er wird wegen Mordes angeklagt und schließlich zum Tode verurteilt. Angesichts der bevorstehenden Hinrichtung wandelt sich Meursaults Lebenseinstellung von einer weitgehenden GleichgĂŒltigkeit in eine leidenschaftliche Bejahung des Lebens.

Mit »Der Fremde« lieferte Camus einen der zentralen BeitrĂ€ge zum französischen Existentialismus, der bis heute eine mitreißende und kontroverse LektĂŒre garantiert.

Albert Camus: Der Fremde. Reinbek: Rowohlt, 61. Aufl. 2008. ISBN: 978-3-499-22189-7. Preis: € 6,95.

Verbrechen

Es kommt nicht hĂ€ufig vor, dass ein Autor gleich mit seinem ersten Buch nicht nur einen Bestseller landet, sondern damit zugleich auch mit einem eigenen, markanten Stil an die Öffentlichkeit tritt. Ferdinand von Schirach (geb. 1964) ist hauptberuflich als Anwalt und Strafverteidiger in Berlin tĂ€tig und hat mit »Verbrechen« seinen ersten Band mit ErzĂ€hlungen vorgelegt. Er enthĂ€lt elf KriminalfĂ€lle, die stets distanziert und sachlich aus der Sicht eines Strafverteidigers erzĂ€hlt werden. Und diese FĂ€lle haben es in sich:

Da wird zum Beispiel von dem Unbekannten erzĂ€hlt, der auf einem Berliner Bahnhof von zwei Skinheads belĂ€stigt wird. Sie gehen allerdings mit ihrer Provokation einen entscheidenden Schritt zu weit – nur eine Minuten spĂ€ter liegen beide tot auf dem Bahnsteig, wĂ€hrend der Unbekannte gelassen auf seine Verhaftung wartet. Da eindeutig in Fall von Notwehr vorliegt, muss die Polizei den Mann schließlich auf freien Fuß setzen, ohne sein Geheimnis lĂŒften zu können. In der ganzen ErzĂ€hlung sagt der TĂ€ter kein einziges Wort, auch nicht zu seinem Anwalt.

Oder es wird die Geschichte der drei Berliner Kleinkriminellen erzĂ€hlt, die sich fĂŒr einen Einbruch das falsche Opfer aussuchen und sich am Ende glĂŒcklich schĂ€tzen können, mit dem Leben davonzukommen.

Oder die Geschichte von Karim, der in seiner Familie als etwas zurĂŒckgeblieben angesehen wird, aber ein erfolgreiches Doppelleben fĂŒhrt und sich als schlauer erweist als der Apparat der Justiz.

Alle FÀlle schildert von Schirach in einem einfachen, glasklaren und trainierten Stil. Die besten dieser ErzÀhlungen enthalten keinen Satz, ja, kein Wort zu viel. Unbedingt lesenswert!

Ferdinand von Schirach: Verbrechen. MĂŒnchen: Piper, 2009. ISBN: 978-3-492-05362-4. Preis: € 16,95.

Kinder- und HausmÀrchen

Am 16. Dezember 1859 starb in Berlin der jĂŒngere des wohl berĂŒhmtesten BrĂŒderpaars der deutschen Literatur: Wilhelm Grimm (1786–1859). Zusammen mit seinem Bruder Jacob (1785–1863) galt er als einer der wichtigsten Sprach- und Literaturwissenschaftler seiner Zeit. Er lehrte bis zu seinem Tod an der Berliner UniversitĂ€t und arbeitete zusammen mit seinem Bruder an einem »Deutschen Wörterbuch«, dessen letzte EintrĂ€ge erst 1954 erscheinen sollten.

Ihre PopularitĂ€t aber gewannen die BrĂŒder Grimm durch ihre Sammlung der »Kinder- und HausmĂ€rchen«, deren erster Band 1812 mit 86 MĂ€rchen erschien, dem drei Jahre spĂ€ter ein zweiter mit weiteren 72 MĂ€rchen folgte. Die BrĂŒder erweiterten und ĂŒberarbeiteten diese Sammlung in den Folgejahren immer wieder, so dass die 7. Auflage von 1857 schließlich 211 MĂ€rchen umfasste. Zum eigentlichen Bestseller wurde aber die sogenannte Kleine Ausgabe von 1825, die nur 50 MĂ€rchen enthielt.

Das Interesse sowohl der sammelnden BrĂŒder als auch des Lesepublikums an VolksmĂ€rchen war schon in der zweiten HĂ€lfte des 18. Jahrhunderts entstanden: Die jungen bĂŒrgerlichen Schriftsteller suchten damals nach unverbrauchten literarischen Formen und entdeckten die Volkspoesie: Bislang nur mĂŒndlich ĂŒberlieferte Volkslieder, Balladen und MĂ€rchen wurden erstmals systematisch gesammelt und dem Druck ĂŒbergeben.

Selbst wenn man meint, die meisten der MĂ€rchen bereits zu kennen, lohnt sich doch einmal ein Blick in eine vollstĂ€ndige Ausgabe, nicht nur der Erinnerungen wegen, die das weckt, sondern auch, weil dort sicher noch die eine oder andere ĂŒberraschende Entdeckung zu machen ist.

Jakob und Wilhelm Grimm: Kinder- und HausmĂ€rchen. Ausgabe letzter Hand. Stuttgart: Reclam, 2009. ISBN: 978-3-15-010724-9. Preis: € 19,90.

Geschichte der Juden

Von Zeit zu Zeit lohnt es sich auch fĂŒr erwachsene Leser einmal, einen Blick in ein Jugendbuch zu werfen. Lutz van Dijk (geb. 1955 in Berlin), ehemaliger Sonderschullehrer, hat zahlreiche SachbĂŒcher fĂŒr Jugendliche geschrieben, darunter auch eine Geschichte des jĂŒdischen Volkes, die im vergangenen Jahr in einer dritten, aktualisierten Auflage erschienen ist. Folgt man dem jĂŒdischen SelbstverstĂ€ndnis, das die Geschichte der Juden mit dem Stammvater Abraham anheben lĂ€sst, so hat das jĂŒdische Volk mit seinem Alter von 4.000 Jahren die Ă€lteste ununterbrochene Kulturtradition der westlichen HemisphĂ€re.

Lutz van Dijk folgt dieser Geschichte von diesen babylonischen AnfĂ€ngen an. Er erzĂ€hlt die wichtigsten Episoden der historischen Entwicklung nach, wie sie sich im Alten Testament findet, und schließt eine Darstellung der historischen Ereignisse bis in die Gegenwart an. Er konzentriert sich dabei in den verschiedenen Epochen immer wieder auf einzelne Figuren, die er entweder in erfundenen Monologen oder aber auch mit ihren eigenen Schriften zu Wort kommen lĂ€sst. So berichtet einerseits etwa Abrahams Sklavin Hagar davon, wie sie die Mutter Ismaels wurde, oder Aaron erzĂ€hlt, wie es zum Tanz um das goldene Kalb kam. Andererseits kommen zum Beispiel Anne Frank und Hanna Arendt in Zitaten zu Wort.

Der Kenner findet sicherlich das eine oder andere Detail, das er gern ausfĂŒhrlicher oder differenzierter dargestellt haben wĂŒrde, aber allen Lesern, die eine gut geschriebene und alles im allem zuverlĂ€ssige EinfĂŒhrung in das Thema suchen, kann dieses Jugendbuch ohne EinschrĂ€nkung empfohlen werden.

Lutz van Dijk erzĂ€hlt die Geschichte der Juden. Frankfurt/M.: Campus Vlg., 3. Aufl. 2008. ISBN: 978-3-593-38537-2. Preis: € 19,90. Dieses Buch kann in der Stadtbibliothek Solingen (Bergisch eMedien) auch als eBook ausgeliehen werden.

Literarischer FĂŒhrer Deutschland

Im vergangenen Jahr ist im Inselverlag wohl zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg ein ganz Deutschland umfassender literarischer FĂŒhrer erschienen. Fred Oberhauser und Axel Kahrs haben, unterstĂŒtzt von nur wenigen Mitarbeitern, auf 1469 Seiten die literarisch relevanten Orte Deutschlands aufgearbeitet und in aller KĂŒrze dargestellt. Von selbst verstehen sich dabei natĂŒrlich Orte wie Berlin, Weimar, MĂŒnchen oder LĂŒbeck, die entweder als Kulturzentrum deutschlandweite Bedeutung haben oder als Geburts- oder Lebensort bedeutender Autoren erwĂ€hnenswert sind.

Aber auch Solingen findet seinen Platz unter der literarischen StĂ€tten. GewĂŒrdigt werden zum Beispiel der 1828 hier geborene Friedrich Albert Lange, dessen »Geschichte des Materialismus« (1866) auch heute noch relevant ist, oder der Fabrikant Mundartdichter Peter Witte (1876–1949), dessen Denkmal heute noch auf dem Alten Markt zu finden ist. Selbst der nicht mehr oft erwĂ€hnte konservative Kunsthistoriker und politische Schriftsteller Arthur Moeller van den Bruck (1876–1925) wird gewĂŒrdigt.

Der Aufenthalt Johann Heinrich Jung-Stillings (1740–1817) im Jahr 1762 als Geselle beim Schneidermeister Nagel – er spielte sonntags in der Kirche die Orgel und war so beliebt, dass er mehr Meister als Geselle im Haus war – wird genauso genannt wie die langjĂ€hrige TĂ€tigkeit Otto Gmelins (1886–1940) als Studienrat in Solingen-Wald.

Sicherlich wird der Lokalhistoriker immer das eine und andere zu ergĂ€nzen finden, aber insgesamt ist das Buch eine nahezu unerschöpfliche Fundgrube fĂŒr alle reiselustigen Leserinnen und Leser.

Fred Oberhauser u. Axel Kahrs: Literarische FĂŒhrer Deutschland. Frankfurt/M: Insel Verlag, 2008. ISBN: 978-3-458-17415-8. Preis: € 48,00.