Berlin Alexanderplatz

Manch ganz einmaliges Werk kann nur entstehen, weil sich gegen alle Wahrscheinlichkeit die UmstĂ€nde gerade so ergeben. So erscheint es aus heutiger Perspektive gĂ€nzlich unglaublich, dass so etwas wie die Verfilmung von Alfred Döblins Roman »Berlin Alexanderplatz« (1929) durch Rainer Werner Fassbinder ĂŒberhaupt existiert. Diese 1980 entstandene und gesendete Fernsehverfilmung gehört mit insgesamt ĂŒber 15 Stunden LĂ€nge zu den umfangreichsten Spielfilmprojekten, die je realisiert worden sind.

Rainer Werner Fassbinder (1945–1982) war damals der Regie-Star des Neuen Deutschen Films. Aus seiner langjĂ€hrigen Zusammenarbeit mit dem WDR heraus erwuchs das Projekt einer umfangreichen Verfilmung des Romans von Döblin. »Berlin Alexanderplatz« ist bis heute der bedeutendste deutschsprachige Großstadtroman und erzĂ€hlt die Geschichte von Franz Biberkopf, der nach vier Jahren Haft wegen Totschlags schwört, ein guter Mensch zu werden und nichts Unrechtes mehr zu tun. Doch ist ein solcher Schwur leichter getan als gehalten.

Fassbinders 14-Teiler hat 1980 eine kontroverse Debatte in den deutschen Feuilletons ausgelöst. Nur wenige Zuschauer hatten die Geduld, der minutiösen Umsetzung eines 500-seitigen Romans aufmerksam zu folgen. Leider hat Fassbinder es nicht mehr erlebt, dass seine Verfilmung 1983 in New Yorker Kinos als 15-stĂŒndiger Spielfilm vorgefĂŒhrt und mit Begeisterung aufgenommen worden ist. Uns erlaubt heute die vollstĂ€ndig restaurierte DVD-Ausgabe einen objektiveren Blick auf eines der ungewöhnlichsten deutschsprachigen Filmprojekte.

»Berlin Alexanderplatz«. BRD, Italien, 1980. 6 DVDs, SZ Cinemathek. Sprache: Deutsch. LĂ€nge: ca. 910 Minuten. Extras: Dokumentaionen zu den Dreharbeiten und zur Restaurierung. FSK: ab 12 Jahren. Preis: ca. € 50,–.

Verbrechen

Es kommt nicht hĂ€ufig vor, dass ein Autor gleich mit seinem ersten Buch nicht nur einen Bestseller landet, sondern damit zugleich auch mit einem eigenen, markanten Stil an die Öffentlichkeit tritt. Ferdinand von Schirach (geb. 1964) ist hauptberuflich als Anwalt und Strafverteidiger in Berlin tĂ€tig und hat mit »Verbrechen« seinen ersten Band mit ErzĂ€hlungen vorgelegt. Er enthĂ€lt elf KriminalfĂ€lle, die stets distanziert und sachlich aus der Sicht eines Strafverteidigers erzĂ€hlt werden. Und diese FĂ€lle haben es in sich:

Da wird zum Beispiel von dem Unbekannten erzĂ€hlt, der auf einem Berliner Bahnhof von zwei Skinheads belĂ€stigt wird. Sie gehen allerdings mit ihrer Provokation einen entscheidenden Schritt zu weit – nur eine Minuten spĂ€ter liegen beide tot auf dem Bahnsteig, wĂ€hrend der Unbekannte gelassen auf seine Verhaftung wartet. Da eindeutig in Fall von Notwehr vorliegt, muss die Polizei den Mann schließlich auf freien Fuß setzen, ohne sein Geheimnis lĂŒften zu können. In der ganzen ErzĂ€hlung sagt der TĂ€ter kein einziges Wort, auch nicht zu seinem Anwalt.

Oder es wird die Geschichte der drei Berliner Kleinkriminellen erzĂ€hlt, die sich fĂŒr einen Einbruch das falsche Opfer aussuchen und sich am Ende glĂŒcklich schĂ€tzen können, mit dem Leben davonzukommen.

Oder die Geschichte von Karim, der in seiner Familie als etwas zurĂŒckgeblieben angesehen wird, aber ein erfolgreiches Doppelleben fĂŒhrt und sich als schlauer erweist als der Apparat der Justiz.

Alle FÀlle schildert von Schirach in einem einfachen, glasklaren und trainierten Stil. Die besten dieser ErzÀhlungen enthalten keinen Satz, ja, kein Wort zu viel. Unbedingt lesenswert!

Ferdinand von Schirach: Verbrechen. MĂŒnchen: Piper, 2009. ISBN: 978-3-492-05362-4. Preis: € 16,95.