Lauter Lyrik

Vor einiger Zeit habe ich an dieser Stelle eine neue Lyrik-Anthologie des Reclam Verlages vorgestellt. Heute möchte ich dies um den Hinweis auf ein Hörbuch ergänzen, das die derzeit umfangreichste Sammlung vorgelesener Lyrik enthält.

Grundlage bildet eine vor mehr als 30 Jahren zum ersten Mal erschienene umfangreiche Lyriksammlung des Kölner Germanisten Karl Otto Conrady, die in der aktuellen Ausgabe einfach »Der große Conrady« heißt. Aus dieser Sammlung hat Conrady noch einmal beinahe 1100 Gedichte ausgewählt, die von 14 Schauspielern und professionellen Sprechern zwischen August und Dezember 2007 eingelesen wurden. Diese Auswahl ist chronologisch angeordnet und reicht vom Mittelalter bis ins 21. Jahrhundert (das letzte Gedicht stammt aus dem Jahr 2007), umfasst also alle Epochen deutscher Gedichte und präsentiert alle bedeutenden Lyriker zumindest mit jeweils einem Beispiel. Natürlich sind auch zahlreiche Autoren mit einer ganzen Reihe ihrer Werke vertreten, und der Anteil moderner Lyrik aller Richtungen ist erheblich.

All dies wurde auf 21 CDs gepresst, wobei die 21. einige der Lieblingsgedichte des Herausgebers, von ihm selbst gelesen, bringt. Auch an die Freunde neuer Technik wurde gedacht: Zusätzlich finden sich zwei mp3-CDs mit allen Gedichten. Ein Begleitheft enthält die Lebensdaten aller Autoren und ein Register der Überschriften und Gedichtanfänge.

Parallel sind die eingespielten Texte quasi als Partitur zum Hörgenuss auch im Druck erschienen. Das Buch ist unter dem Titel »Lauter Lyrik. Der kleine Conrady« für 22,– € im Buchhandel zu erwerben.

»Lauter Lyrik. Der Hör-Conrady«. Ein Gemeinschaftsprojekt der ARD und des Patmos Verlags. Düsseldorf: Patmos Verlag, 2008. 21 CDs u. 2 mp3-CDs, etwa 25 Stunden Gesamtspielzeit.

Die Ermittlung

Am 20. Dezember 1963 wurde das Hauptverfahren im 1. Frankfurter Auschwitz-Prozess eröffnet. Noch vor dem Prozessende am 20. August 1965 informierte der Suhrkamp Verlag in einem Rundschreiben darüber, dass er das den Prozess dokumentierende Theaterstück »Die Ermittlung« von Peter Weiss zu einer »allgemeinen Uraufführung am 19. Oktober« freigebe. So entstand die sogenannte Ringuraufführung an insgesamt 15 Theatern in der BRD (4 Bühnen) und der DDR (11 Bühnen). Eine dieser Aufführungen war eine szenische Lesung der ostdeutschen Akademie der Künste im Saal der DDR-Volkskammer in Berlin. Diese Lesung unter Beteiligung beträchtlicher DDR-Prominenz hat sowohl in der DDR als auch in der BRD große Resonanz erzeugt.

Die Bundeszentrale für politische Bildung hat nun in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Rundfunkarchiv Potsdam und der Akademie der Künste Berlin eine Doppel-DVD herausgebracht: Eine DVD-ROM enthält eine ausführliche Dokumentation (Texte, Hör- und Video-Dokumente) zur Entstehung des Stückes und der szenischen Lesung in der Volkskammer, des gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Umfelds sowie der Debatten vor und nach den Aufführungen sowohl im Osten als auch im Westen. Eine Video-DVD präsentiert die komplette Lesung in der Volkskammer. Die Qualität des Videos entspricht natürlich nicht heutigen Ansprüchen an eine Fernsehübertragung, ist aber für den dokumentarischen Zweck völlig ausreichend. Die Bundeszentrale für politische Bildung liefert die beiden DVDs zum Preis von nur 6,- € ins Haus.

»Auschwitz auf der Bühne«. Peter Weiss: »Die Ermittlung« in Ost und West. Hg. v. der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) in Kooperation mit dem Deutschen Rundfunkarchiv Potsdam und der Akademie der Künste Berlin. 2 DVDs.

Die Morde in der Rue Morgue

Am 19. Januar vor 200 Jahren wurde in Boston einer der großen amerikanischen Schriftsteller geboren: Edgar Allan Poe gilt heute zu Recht als Meister des Grusel- und Horror-Genres. Aber nicht nur auf diesem Gebiet hat er sich unsterblichen Ruhm erworben, er ist auch der Erfinder einer literarischen Figur, die in unzählbaren Variationen in Literatur und Film Karriere gemacht hat: des analytische Detektivs.

In seiner 1841 erschienenen Erzählung »Die Morde in der Rue Morgue« berichtet der Erzähler von einer Begegnung mit einem außergewöhnlichen Mann: C. Auguste Dupin entstammt einer berühmten, aber verarmten Pariser Familie und lebt ein zurückgezogenes Leben. Er ist sehr belesen und zeichnet sich nicht nur durch eine ungewöhnlich feine Beobachtungsgabe aus, sondern auch durch die Fähigkeit, aus winzigen, unscheinbaren Details rasch und sicher Schlüsse zu ziehen. Als Dupin eines Tages in der Zeitung von einem Doppelmord liest, der die Polizei vor ein Rätsel stellt, bewähren sich seine Gaben. Die Morde an zwei Frauen, Mutter und Tochter, waren auf bestialische Weise in einem von innen verschlossenen Zimmer begangen worden. Auf den ersten Blick scheint es dem Mörder unmöglich gewesen zu sein, nach der Tat aus dem Zimmer zu entkommen, und dennoch fehlt von ihm jede Spur. An diesem Rätsel stellt Dupin nun seinen außergewöhnlichen analytischen Verstand unter Beweis. Allein aufgrund der Lektüre einiger Zeitungsmeldungen und einer Besichtigung des Tatorts ist er in der Lage, den Täter zu ermitteln. C. Auguste Dupin und sein englischer Nachfolger Sherlock Holmes sind die Urväter aller Detektive des 20. und 21. Jahrhunderts.

Edgar Allan Poe: Detektivgeschichten. dtv 13725. ISBN: 978-3-423-13725-6.

Michael Clayton

Michael Clayton (George Clooney) ist ein Anwalt, der für eine große Kanzlei den Ausputzer macht: Gleichgültig wo eine Krise ausbricht, Michael ist der Mann für alle Fälle. Er kann jede Situation schnell und juristisch korrekt einschätzen, weiß was zu tun ist, hat Verbindungen zu Gott und der Welt und kennt die nötigen Telefonnummern. Allerdings könnte er gerade selbst etwas Hilfe gebrauchen: Das Restaurant, das er zusammen mit seinem Bruder betrieben hat, ist Pleite und Michael steckt bis über beide Ohren in Schulden. Außerdem ist gerade ein Kollege von ihm, Arthur Edens (Tom Wilkinson), mit dem er seit langem befreundet ist, bei einer Anhörung übergeschnappt und ins Gefängnis eingeliefert worden. Und nebenbei will sich Michael auch noch um seinen Sohn (Austin Williams) aus seiner geschiedenen Ehe kümmern.

Als Michael Arthur aus dem Gefängnis holt, stellt sich heraus, dass der seit einiger Zeit seine Medikamente nicht mehr nimmt und deshalb psychisch labil ist. Anlass ist der Fall, an dem er seit Jahren arbeitet: Der Chemie-Riese U/North hat ein krebserregendes Herbizid vertrieben und sieht sich einer millionenschweren Sammelklage gegenüber. Arthur, der U/North verteidigt, hat nun Unterlagen in die Hand bekommen, die die Schuld seines Klienten beweisen. Dies hat ihn in einen tiefen Gewissenskonflikt gestürzt, was seine psychische Krise ausgelöst hat.

Während Michael mit allen Mitteln versucht, die Situation wieder unter Kontrolle zu bekommen, arbeitet die Justitiarin von U/North (Tilda Swinton) daran, Arthur für immer zum Schweigen zu bringen …

»Michael Clayton«. USA, 2001. DVD, Constantin Film. Sprachen: Deutsch, Englisch. Extras: Kommentar des Regisseurs; Deleted Scenes; Making-of. Länge: ca. 115 Minuten. FSK: ab 12 Jahren. Preis: ca. € 10,-.

Über beinahe alles

Wir leben in einer sich ständig und immer schneller verändernden Welt. Das liegt nicht nur daran, dass ständig neue Erfindungen gemacht und neue Produkte auf den Markt geworfen werden, sondern auch daran, dass sich das wissenschaftliche Bild unserer Welt ununterbrochen fortentwickelt und wandelt. Wie vieles, von dem, was wir mühsam in der Schule gelernt haben, ist inzwischen längst veraltet und überholt? Und wer hat schon Zeit sich aus den unterschiedlichsten Quellen auf dem Laufenden zu halten?

Aber es ist schön, dass es einem nicht allein so geht: Dem US-amerikanischen Journalisten und Schriftsteller Bill Bryson, der als Verfasser von Reisebüchern bekannt geworden ist, wurde eines Tages bewusst, dass sein wissenschaftliches Weltbild bestenfalls als lückenhaft zu bezeichnen sei. Und so machte er sich auf, das zu ändern: Er las alle erreichbaren populärwissenschaftlichen Bücher, machte sich auf, um Wissenschaftler, Forscher und Entdecker in allen Teilen der Welt zu besuchen und zu befragen und schrieb schließlich »Eine kurze Geschichte von fast allem«. Diese mehr als 600 Seiten starke Darstellung des aktuellen naturwissenschaftlichen Weltbilds – Schwerpunkte liegen auf der Astronomie, Geologie, Biologie und Physik – ist von einem Laien für Laien geschrieben und das lesbarste und umfassendste allgemeinbildende Buch, das ich seit vielen Jahren in die Hände bekommen habe. Was es so faszinierend macht, ist, dass nicht nur erzählt wird, was alles wir schon wissen, sondern gleichrangig daneben auch, was alles wir noch nicht wissen, und wie eine beantwortete Frage gleich dutzendweise neue, unbeantwortete hervorbringt. Ein hoch spannendes Lesebuch!

Bill Bryson: Eine kurze Geschichte von fast allem. Goldmann Taschenbuch 46071. ISBN: 978-3-442-46071-7. Preis: € 9,95.

Die Jüdin von Toledo

Vor 50 Jahren, am 21. Dezember 1958, starb in Los Angeles, im amerikanischen Exil, der deutsche Schriftsteller Lion Feuchtwanger. Zu seinen Lebzeiten gehörte er zu den meistgelesenen deutschen Schriftstellern sowohl in den USA als auch in Russland. Als Jude war er Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung und lebte von 1932 an im Ausland, nach abenteuerlicher Flucht aus Europa ab 1941 in den USA. Neben einigen bedeutenden Zeitromanen lag sein schriftstellerisches Hauptgewicht auf den historischen Romanen.

»Die Jüdin von Toledo« (1955) handelt zur Zeit des Hochmittelalters im zum Teil moslemisch besetzten Spanien. Im Zentrum steht die legendenhafte Affäre des kastilischen Königs Alfonso VIII. mit einer Jüdin, im Volksmund »La Fermosa«, die Schöne, genannt. Dieses Thema ist bereits seit dem 16. Jahrhundert in Balladen, Theaterstücken und Erzählungen ausgiebig behandelt worden. Das Verdienst von Feuchtwangers Bearbeitung des Stoffes ist es, die tragische Liebesgeschichte in einen konkreten historischen Rahmen einzustellen. Sein Alfons VIII. verliebt sich in die Tochter seines jüdischen Ministers und Finanzberaters Jehuda Ibn Esra. Der willigt in diese Affäre ein, weil er glaubt, den König so besser vom verderblichen Kriegshandwerk abhalten zu können. Doch als sich der König in seine Liebe zur Fermosa verliert, wächst die Eifersucht seiner Frau, Eleonora, Tochter des englischen Königs Heinrich II. Sie beginnt nun alle Hebel in Bewegung zu setzten, um ihren Mann in einen erneuten Krieg gegen die Mauren zu stürzen, in der Hoffnung, dass er auf dem Schlachtfeld seine schöne Jüdin vergessen werde.

Lion Feuchtwanger: Die Jüdin von Toledo. Aufbau Taschenbuch 5638. ISBN: 978-3-7466-5638-0. Preis: € 9,95.

Verbrannte Bücher

In der Nacht vom 10. auf den 11. Mai 1933 findet auf dem Berliner Opernplatz ein großes Propaganda-Spektakel der neuen, nationalsozialistischen Regierung statt: Hier – und zeitgleich in 21 weiteren Hochschulstädten – werden öffentlich Bücher von Autoren verbrannt, die dem Regime nicht ins Weltbild passen, weil sie Juden sind oder politisch links stehen, weil sie Kriegsgegner sind, weil es ihnen an nationaler Gesinnung gebricht oder auch nur, weil jemand irgendeines ihrer Bücher für »undeutsch« gehalten hat. Die Aktion war von der »Deutschen Studentenschaft« organisiert worden, wurde aber vom Propagandaministerium direkt unterstützt; in Berlin hielt gegen Mitternacht Propagandaminister Joseph Goebbels selbst eine Brandrede.

Viele der Autoren, deren Bücher damals verbrannt wurden, sind heute praktisch vergessen. Ihre Bücher wurden nach dem Krieg nicht mehr aufgelegt, ihre Karriere als Schriftsteller war zerstört. Volker Weidermann, Literaturkritiker und Feuilletonchef der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« hat sich die Mühe gemacht, der ersten Liste verbrannter Bücher nachzuforschen. Er hat versucht, das Schicksal aller 131 Autoren, die auf dieser ersten Verbotsliste des Dritten Reichs standen, zu ermitteln, die verbrannten Bücher aufzufinden und zu lesen. Nicht in allen Fällen ist das gelungen: Manche der Schriftsteller sind während oder nach dem Krieg einfach verschwunden, ohne eine greifbare Spur zu hinterlassen. Mit dieser besonderen Literaturgeschichte wird zum ersten Mal die ganze Breite der Opfer der nationalsozialistischen Bücherverbrennung dargestellt und gewürdigt.

Volker Weidermann: Das Buch der verbrannten Bücher! Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2008. ISBN: 978-3-462-03962-7.

Handorakel

Heute vor 350 Jahren starb im Jesuitenkolleg von Tarazon, einem kleinen Städtchen im Nordwesten von Aragon, mit nur knapp 58 Jahre der Jesuitenpater Baltasar Gracián. Er hatte in seinen letzten Lebensjahren nicht viel Ruhe gehabt: Seine satirischen Schriften und besonders auch sein großer, allegorischer Roman »Das Kritikon« hatten ihm viele Feinde eingebracht. Zu Anfang des 17. Jahrhunderts geboren, war er mit 18 Jahren dem Jesuitenorden beigetreten und hatte sich schon bald einen Namen als Prediger, Lehrer und Redner gemacht und wirkte in Zaragoza, Tarragona, Valencia und Madrid.

Die allermeisten von Graciáns Schriften sind heute eine Sache für Spezialisten. Selbst das Hauptwerk »Das Kritikon«, das 2001 noch einmal vollständig neu ins Deutsche übersetzt wurde, dürfte nur noch wenige Leser finden. Aber ein Werk hat die Zeitläufte unbeschadet überstanden und fasziniert heute noch so wie zu Lebzeiten des Autors: das »Handorakel«. Dieses schmale Bändchen ist eine Sammlung von 300 kurzen Abschnitten, die alle die Lebens- und Weltklugheit zum Thema haben. Graciáns Ratschläge für ein gutes Leben mögen im Einzelnen nicht wirklich überraschen, aber in ihrer Gesamtheit bilden sie so etwas wie ein ideales Porträt des Menschen in Gesellschaft.

In Deutschland hatte das Büchlein das Glück von einem großen Philosophen und Stilisten – eine Kombination, die nicht häufig ist – übersetzt zu werden: Arthur Schopenhauer war ein großer Freund Graciáns und hat das Handorakel 1832 so sorgfältig in Deutsche übersetzt, dass seine Übertragung bis heute gültig geblieben ist.

Baltasar Gracián: Handorakel und Kunst der Weltklugheit. Aus dem Spanischen von Arthur Schopenhauer. dtv Taschenbuch 34244. ISBN: 978-3-423-34244-5. Preis: € 6,00.

Little Miss Sunshine

Bei den Hoovers herrscht Krisenstimmung: Vater Greg (Greg Kinnear), der erfolglos Erfolgsseminare anbietet, steht kurz vor dem Konkurs, der pubertierende Sohn Dwayne (Paul Dano) hat ein Schweigegelübde abgelegt und hasst alle Menschen, Onkel Frank (Steve Carell) hat gerade einen Selbstmordversuch hinter sich, Mutter Olive (Toni Collette) steht kurz vor einem Nervenzusammenbruch, Opa Edwin (Alan Arkin) ist drogenabhängig und nur die kleine Olive (Abigail Breslin) hat Grund zur Freude – sie hat einen Platz bei einem Kinderschönheitswettbewerb gewonnen. Und so entschließt sich die Familie im VW-Bus die 1300 km von New Mexiko nach Kalifornien zu fahren, wo der Wettbewerb »Little Miss Sunshine« stattfindet.

Natürlich geht unterwegs alles schief: Der Bus geht kaputt, so dass er nach jedem Halt angeschoben werden muss. Vater Greg bekommt die Nachricht, dass sich seine letzte geschäftliche Hoffnung zerschlagen hat. Dwayne erfährt, dass er farbenblind ist und deshalb seinen einzigen Traum, Jet-Pilot zu werden, aufgeben muss. Und als sei all das nicht genug, stirbt unterwegs auch noch Großvater Edwin. Trotz aller Widrigkeiten schaffen die Hoovers es buchstäblich in der letzten Minute, Olive zu ihrem Wettbewerb zu bringen. Erst dort bemerken sie, dass sie die Reise auf seltsame Weise zusammengeschweißt hat …

Das Regie-Ehepaar Jonathan Dayton und Valerie Ferris hat mit diesem Roadmovie nicht nur eine humorvolle Familiengeschichte gedreht, sondern auch eine Fabel über den schönen Schein und die Wirklichkeit der US-amerikanischen Gesellschaft.

»Little Miss Sunshine«. USA, 2006. DVD, 20th Century Fox. Sprachen: Deutsch, Englisch. Extras: Kommentar der Regisseure; alternative Enden. Länge: ca. 99 Minuten. FSK: ab 6 Jahren.

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Der weiße Tiger

Balram Halwai hat es geschafft: Er hat sich als Sohn eines Rikschafahrers vom Habenichts zum selbstständigen Unternehmer emporgearbeitet. Balram stammt aus einem indischen Dorf in der namenlosen Weite Indiens, aus der Dunkelheit, wie er selbst es nennt. Balram geht, wie so viele andere auch, nach Delhi, um dort Arbeit zu finden. Er hat den Wunsch nach sozialem Aufstieg, deshalb lernt er Autofahren und wird schließlich Fahrer im Haus eines seiner früheren Grundherren. Es dauert lange, bis Balram beginnt, seine Naivität abzulegen und zu begreifen, dass die Welt des modernen Indien nur wenig mit der seines Dorfes gemein hat. Und er sieht von Tag zu Tag klarer, dass die sozialen Grenzen für ihn eng gezogen sind.

Und dennoch ist Balram, als er all dies erzählt, Inhaber eines Taxiunternehmens in Bangalore. Er hat den Aufstieg aus Armut und Unterdrückung geschafft und ist sein eigener Herr geworden. Er ist der weiße Tiger, eines der seltenen Geschöpfe des Dschungels, von denen nur jeweils einer in einer ganzen Generation geboren werden. Wie mag das damit zusammenpassen, dass Balram unter einem falschen Namen in Bangalore lebt und von der Polizei gesucht wird?

Der junge indische Autor Aravind Adiga (geb. 1974) hat mit seinem bemerkenswerten Erstlingsroman »Der weiße Tiger« gleich den Sprung zu internationaler Anerkennung geschafft. Das Buch hat in diesem Jahr den renommierten englischen Booker Prize gewonnen und liegt jetzt bereits auf Deutsch vor. Diesem schwarzhumorigen Schelmenroman ist auch hierzulande ein Bestseller-Erfolg zu wünschen.

Aravind Adiga: Der weiße Tiger. Aus dem Englischen von Ingo Herzke. München: C.H. Beck, 2008. ISBN: 978-3-406-57691-1. Preis: € 19,90.

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