Termini

Dorothea Dieckmann (geb. 1957) ist eine der bekannteren unter den unbekannteren deutschsprachigen Schriftstellerinnen. Ihre ersten Bücher erschienen Anfang der 90er Jahre; sie ist seitdem als freie Schriftstellerin und Journalistin tätig. Im letzten Jahr legte sie mit »Termini« einen anspruchsvollen politischen Roman vor, der Ende Juli, Anfang August 1996, also zur Zeit des ersten römischen Prozesses gegen Erich Priebke spielt. Im Zentrum steht der junge Journalist Ansgar Weber, der im Auftrag des »Spiegel« nach Rom gekommen ist, um über den Abschluss des Prozesses zu berichten. Doch Ansgar treibt tatsächlich ein ganz anderer Plan um: Durch die Tochter seines Chefredakteurs kann er Kontakt zu der tot geglaubten Autorin Lydia Marin aufnehmen. Seitdem sie ihren Tod vorgetäuscht hat, lebt sie anonym in einem Vorort von Rom und ist vielleicht bereit, Ansgar ein Interview zu geben. Dieses Interview wäre eine Sensation, die es Ansgar ermöglichen würde, sich als Journalist selbstständig zu machen und dem verhassten Druck in der »Spiegel«-Redaktion zu entkommen.

Ansgar verbringt insgesamt vier Tage in Rom, an denen er den Gerichtssaal des Priebke-Prozesses nicht ein einziges Mal betritt. Zwar gelingt es ihm tatsächlich, das Interview mit der Verschollenen zu führen, aber die Tonbänder gehen verloren und die Autorin selbst verschwindet erneut spurlos. Und dann erlebt Ansgar eine albtraumhafte Nacht in der römischen Unterwelt, die ihn an den Rand eines Nervenzusammenbruchs bringt …

»Termini« ist ein sprachlich außergewöhnlich dichter Roman, in dem jeder Satz, jedes Wort bewusst gesetzt ist. Eine Seltenheit im Einerlei der aktuellen Romanproduktion.

Dorothea Dieckmann: Termini. Stuttgart: Klett-Cotta, 2009. ISBN: 978-3-608-93660-5. Preis: € 21,90. Dieser Titel kann in der Stadtbibliothek Solingen über die Bergisch-Bib entliehen werden.

Quo Vadis

Im Jahr 64 nach Christi Geburt kehrt der römische Kommandant Marcus Vinicius (Robert Taylor) aus Britannien nach Rom zurück. Bei seinem letzten Aufenthalt vor dem Einzug nach Rom verliebt er sich im Haus des alten Generals Plautius in dessen Ziehtochter Lygia (Deborah Kerr). Durch seinen am Hofe des Kaisers Nero (Peter Ustinov) einflussreichen Onkel Petronius (Leo Genn) gelingt es ihm, Lygia, die sich als eine königliche Geisel erweist, aus dem Haus ihrer Zieheltern entfernen zu lassen. Doch bevor sie im Haus seines Onkels ankommt, gelingt ihr die Flucht. Nachforschungen ergeben, dass Lygia ebenso wie ihre Zieheltern der in Rom im Geheimen agierenden Sekte der Christen angehört. Um Lygia wiederzufinden, schleicht sich Marcus Vinicius in eine der nächtlichen Versammlungen der Christen ein und hört, wie der Apostel Petrus (Finlay Currie) zur römischen Gemeinde predigt. Aber auch diesmal gelingt es Marcus nicht, Lygia für sich zu gewinnen. Doch als Nero Rom anzünden lässt, um Raum für seine verrückten architektonischen Pläne zu schaffen, stürzt sich Marcus in das Flammenchaos, um seine Geliebte zu retten …

Regisseur Mervyn LeRoy hat 1951 nach dem erfolgreichen und nobelpreisgekrönten Roman von Henryk Sienkiewicz den ersten monumentalen Antiken-Film der Nachkriegszeit geschaffen, dem zahlreiche andere folgen sollten. »Quo Vadis« aber bleibt allein schon wegen der schauspielerischen Leistung Peter Ustinovs immer wert, erneut angeschaut zu werden.

»Quo Vadis«. USA, 1951. 2 DVDs, Warner Brothers. Sprachen: Deutsch, Englisch, Spanisch, Polnisch, Ungarisch. Länge: ca. 167 Minuten. Extras: Audio-Kommentar von F.X. Feeney, Making-of. FSK: ab 16 Jahren. Preis: ca. € 8,–.

Ulysses deutsch

Normalerweise nehmen nur wenige Leser den Namen des Übersetzers eines Buches mehr als flüchtig zur Kenntnis. Und so verwundert es nicht, dass es nur wenigen Übersetzern gelingt, aus dem Schatten des übersetzten Autors herauszutreten. Einer dieser wenigen war zweifelsohne Hans Wollschläger, der am 17. März vor 75 Jahren in Minden geboren wurde. Er entstammte einem Pastorenhaushalt und zeigte schon früh hohe sprachliche und musikalische Begabungen. Nach einem Musikstudium wird er aber nicht Musiker, sondern wendet sich der Literatur zu. Er schreibt an einem Roman, verfasst eine Karl-May-Biografie, übersetzt zusammen mit Arno Schmidt das Werk Edgar Allan Poes und erhält schließlich vom Suhrkamp Verlag den Auftrag, den »Ulysses« von James Joyce neu zu übersetzen. Diese Übersetzung ist es, die ihn berühmt macht.

Wollschläger kann den Jahrhundertroman mit großer Sorgfalt und in einem angemessenen Tempo übersetzen, da ihm der Verleger Siegfried Unseld den entsprechenden Freiraum einräumt. So entsteht in vierjähriger Arbeit ein Sprachkunstwerk, das neben dem Original bestehen kann. Insbesondere die Übersetzung des schwierigen Kapitels »Oxen of the Sun« ruft bei Kritik und Lesern Erstaunen und Bewunderung hervor: Der Vorlage folgend bildet Wollschläger in diesem Kapitel die gesamte Entwicklung der deutschen Sprache von den althochdeutschen Anfängen bis zum Kneipendialekt unserer Tage nach.

Als Autor hat Hans Wollschläger nur selten ein größeres Publikum erreichen können, doch seine »Ulysses«-Übersetzung wird wohl noch für einige Generationen von Lesern grundlegend bleiben.

James Joyce: Ulysses. Aus dem Englischen übersetzt von Hans Wollschläger. Suhrkamp Taschenbuch 3816. ISBN: 978-3-518-45816-7. Preis: € 12,50.

Frost/Nixon

Als Richard M. Nixon am 9. August 1974 als erster und bislang einziger US-amerikanischer Präsident von seinem Amt zurücktrat, wurde dies in allen Medien weltweit mit der größten Aufmerksamkeit verfolgt. Zu dieser Zeit war David Frost als Fernseh-Moderator und Talkmaster in England und Australien tätig. Er gehörte zu jener exklusiven Gruppe, die man damals »Jet-Set« nannte. Frost spekulierte darauf, dass ein Interview mit Nixon auf breites Interesse stoßen würde. Er fragte bei Nixons Agenten an, und da er bereit war, 600.000 $ für das Interview zu zahlen, bekam er den Zuschlag. Nixon rechnete damit, sich in diesem Interview im besten Licht darstellen und sein ruiniertes Image wieder aufpolieren zu können. Noch während das Interview produziert wurde, das sich schließlich als eines der wichtigsten Dokumente zur neueren amerikanischen Geschichte erweisen sollte, unternahm Frost verzweifelte Versuche, es an einen der großen Sender zu verkaufen und so die Finanzierung des Projekts zu sichern; doch wider Erwarten zeigte kein Sender Interesse …

Regisseur Ron Howard (»A Beautiful Mind«, »The Da Vinci Code«) hat mit seinen beiden Hauptdarstellern Michael Sheen und Frank Langella aus diesem Material einen ebenso informativen wie spannenden Spielfilm gemacht, in dem nicht nur die Vorgeschichte des Zustandekommens, sondern auch das Interview selbst breiten Raum einnimmt. Dieser Film demonstriert einmal mehr, dass die Verfilmung historischer Ereignisse zugleich interessant und exakt sein kann.

»Frost/Nixon«. USA, 2008. 1 DVD, Universal. Sprachen: Deutsch, Englisch, Russisch. Länge: ca. 117 Minuten. Extras: Kommentar des Regisseurs, Making-of, entfallene Szenen, Ausschnitte aus den Original-Interviews u.a. FSK: ab 6 Jahren. Preis: ca. € 8,–.

Der Untertan

Am 11. März vor 60 Jahren starb in Santa Monica in Kalifornien einer der bedeutendsten deutschsprachigen Schriftsteller der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Heinrich Mann. Er war im Februar 1933, kurz nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, nach Frankreich geflohen. Da er seit langer Zeit den Kommunisten nahegestanden hatte, musste er damals jederzeit mit seiner Verhaftung rechnen. Er lebte zuerst in Südfrankreich und siedelte 1940 in die USA über. Dort wohnte er in der Nähe seines Bruders Thomas, mit dem er in den letzten Jahren wieder eine engere Beziehung hatte.

Als Romanautor stand Heinrich Mann in Deutschland wohl immer im Schatten seines jüngeren Bruders Thomas, obwohl er bereits ein etablierter Autor war, als dessen erster Roman erschien. Im Wesentlichen werden heute – neben seiner immer noch sehr lesenswerten Autobiographie »Ein Zeitalter wird besichtigt« (1946) – von Heinrich Manns zahlreichen Romanen nur noch zwei häufiger gelesen: »Professor Unrat« (1905) und »Der Untertan«, den er bereits im Juli 1914 abgeschlossen hatte, der aber erst 1918 nach dem Ende des Ersten Weltkriegs als Buch erscheinen konnte. Der Roman erzählt vom gesellschaftlichen Aufstieg Diederich Heßlings, eines feigen und obrigkeitshörigen Mitläufers, dessen größter Wunsch es ist, seinem Kaiser Wilhelm II. so ähnlich wie möglich zu sein. Mit großer satirischer Distanz erschafft Heinrich Mann in Heßling den Prototypen des wilhelminischen Bürgers. Das Buch löste bei seinem Erscheinen ein heftige Debatte aus, in der sich auch Thomas Mann gegen seinen Bruder stellte. Es hat bis heute nichts von seinem Witz und seiner satirischen Schärfe verloren.

Heinrich Mann: Der Untertan. Fischer Taschenbuch 90026. ISBN: 978-3-596-90026-8. Preis: € 9,00.

Jüdische Witze

Vor 50 Jahren erschien im Schweizer Olten-Verlag eine soziologische Studie der damals noch gänzlich unbekannten Salcia Landmann (1911–2002). Es handelte sich um einen kulturhistorischen Aufsatz, der sich mit dem Phänomen des jüdischen Humors beschäftigte. Was das Buch aber zu einem außergewöhnlichen Erfolg machte und weshalb es bis heute immer noch im Druck ist, ist nicht dieser Aufsatz, sondern dass Salcia Landmann, quasi als Anhang, ihre Sammlung jüdischer Witze abdrucken ließ, die sie in vielen Jahren gesammelt hatte: Den knapp 50 Seiten der Studie folgen immerhin gut 200 Seiten mit Witzen.

Dieser ersten Sammlung jüdischen Humors nach dem Zweiten Weltkrieg sind inzwischen zahlreiche andere gefolgt, aber das Büchlein von Salcia Landmann ragt immer noch ein Stück aus der Konkurrenz heraus, weil es den jüdischen Witz in seinen zahlreichen Facetten dokumentiert. Einige der Witze könnten mit kleinen Abwandlungen genau so gut als »christliche« Witze durchgehen (falls es so etwas gibt), aber die meisten spiegeln doch jüdische Kultur und Lebenserfahrung wider:

Ein Kosak und ein Jude stehen vor dem Richter. Der Jude behauptet, der Kosak habe ihm sein Pferd gestohlen.
»Nein, ich habe das Pferd gefunden«, behauptet der Kosak.
Der Jude fängt an zu schreien: »Wie heißt: gefunden? Ich habe auf dem Pferd gesessen! Er hat mich mit Peitschenhieben und Fauststößen auf die Straße hinuntergeworfen!«
»Stimmt das oder nicht?« will der Richter wissen.
»Nun ja«, gibt der Kosak zögernd zu, »ich habe sie beide gefunden, den Juden und das Pferd, aber für den Juden hatte ich keine Verwendung.«

Salcia Landmann: Jüdische Witze. dtv 21017. ISBN: 978-3-423-21017-1. Preis: € 9,95. Dieser Titel kann in der Stadtbibliothek Solingen über die Bergisch-Bib entliehen werden.

Verschwindende Dinge

Unsere Zivilisation verändert sich mit rasender Geschwindigkeit. Ständig kommen neue Gegenstände in die Welt und auf uns zu, von deren Existenz wir gestern noch nicht nötig hatten zu träumen. Touchscreens, mp3-Player, elektronische Bücher, iPhones, die elektrische Nassrasur und Zahnbürsten mit Bluetooth-Bildschirm. Kurt Tucholsky bemerkte schon 1932, als er das ganze Ausmaß der Entwicklung noch nicht einmal erahnen konnte, völlig richtig: »Man sollte gar nicht glauben, wie gut man auch ohne die Erfindungen des Jahres 2500 auskommen kann!«

Was wir aber über der Flut der Neuerungen leicht vergessen, sind jene Dinge, die verdrängt werden, die Platz machen müssen für die Neuerungen sowohl in unseren Köpfen als auch in den Schränken. Volker Wieprecht und Robert Skuppin, zwei erfolgreiche Radiomoderatoren, haben sich jener verschwindenden Dinge angenommen und ein nostalgisches, leicht sentimentales, aber immer witziges »Lexikon der verschwundenen Dinge« zusammengestellt. Sie gedenken darin solcher Dinge wie dem VW Käfer, dem 2CV und dem R4, der Musik-Cassette und der Hi-Fi-Anlage, dem Telegramm oder dem Paternoster. Aber sie beschäftigen sich nicht nur der Technik: Auch die Missionarsstellung, Lebertran oder gar die »höchste Aufmerksamkeit« sind ihnen Einträge wert. Dass sie sich selbst und ihr Lexikon dabei nicht so sehr ernst nehmen, machen spätestens die Artikel zu Margot Honecker, Haaren – hier können zumindest zahlreiche Männer deren langsames Verschwinden bedauernd bestätigen – oder der »absoluten Mehrheit« klar.

Ein amüsantes Büchlein zum Stöbern, Schmökern und Erinnern.

Volker Wieprecht u. Robert Skuppin: Das Lexikon der verschwundenen Dinge. Berlin: Rwohlt Berlin, 2009. ISBN: 978-3-87134-639-2. Preis: € 17,90.

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Die Herzogin

Das Leben von Lady Georgiana, Herzogin von Devonshire (1757–1806) wartet eigentlich seit Langem auf seine Verfilmung. Aber erst die Biografie von Amanda Foreman (seit 2003 auch auf Deutsch) hat die Grundlage für ein Drehbuch geliefert. Der Film beginnt mit dem Abschluss des Ehevertrages zwischen dem 5. Herzog von Devonshire (Ralph Fiennes) und den Eltern Georgianas. Die Hochzeit mit dem achteinhalb Jahre älteren Herzog findet am Vorabend von Georgianas (Keira Knightley) 17. Geburtstag statt. Der Herzog erwartet von seiner Gattin in der Hauptsache eines: die baldige Lieferung eines männlichen Erbfolgers; ansonsten ist er nur mäßig an der hübschen und intelligenten jungen Frau interessiert.

Leider erweist sich die Natur vorerst als nicht kooperativ: Bei den beiden ersten Kindern des Ehepaars handelt es sich um Mädchen, was das ohnehin kühle Verhältnis zwischen den Eheleuten weiter belastet. Der Herzog sucht Trost in zahlreichen Affären, während Georgiana ein Star ihrer Zeit wird: Sie ist ein umschwärmter Gast aller Bälle, ihre Kleider sind Vorbild der Mode von morgen, sie mischt in der Politik ihrer Zeit mit und ihr Haus ist einer der wichtigsten Treffpunkte der besseren Gesellschaft. Die Krise der Ehe spitzt sich zu, als beide Eheleute ernsthafte Liebesbeziehungen beginnen …

Der junge Regisseur Saul Dibb hat der Versuchung widerstanden, aus dem Stoff eine gefühlstriefende Romanze zu machen. Stattdessen liefert er ein präzises und differenziertes Geschichtsstück ab, in dem auf eine Dämonisierung der handelnden Personen glücklich verzichtet wird. Unbedingt sehenswert!

»Die Herzogin«. USA, 2008. 1 DVD, Kinowelt. Sprachen: Deutsch, Englisch. Länge: ca. 106 Minuten. Extras: Making-of, entfallene Szenen u.a. FSK: ab 12 Jahren. Preis: ca. € 10,–.

2666

Roberto Bolaño, geboren 1953 in Chile als Sohn eines LKW-Fahrers, gestorben 2003 im spanischen Exil an Leberversagen, gilt als einer der wichtigsten südamerikanischen Erzähler der Generation nach Julio Cortázar, Garcia Márques und Vargas Llosas. An seinem nachgelassenen Roman mit dem mysteriösen Titel »2666« hat er die letzten fünf Jahre vor seinem Tod gearbeitet. Er wollte, dass die fünf Teile des Romans als getrennte Publikationen erscheinen, da er auf diese Weise hoffte, seine Frau und die beiden gemeinsamen Kinder besser versorgen zu können. Aber die Angehörigen und der Verleger haben sich dennoch entschlossen, die fünf Teile in einem Band drucken zu lassen. Die Übersetzung ins Englische war 2008 in den USA ein großer Erfolg bei Lesern und Kritikern, und auch die deutsche Fassung stand im vergangenen Jahr auf den Bestsellerlisten.

Erzählt werden in den fünf Teilen fünf verschiedene Geschichten, die alle mehr oder weniger direkt mit der fiktiven nordmexikanischen Stadt Santa Teresa zu tun haben. Dort finden ganze Reihen von Frauenmorden statt, die der vierte Teil des Romans ausführlich dokumentiert und die die örtliche Polizei vergeblich aufzuklären versucht. Aber es wird zum Beispiel auch die Geschichte eines US-amerikanischen Journalisten erzählt, der – in Vertretung für einen verstorbenen Kollegen – aus Santa Teresa über einen Boxkampf berichten soll. Oder die der vier Literaturwissenschaftler, die es bei ihrer Suche nach dem geheimnisumwitterten Autor Benno von Archimboldi nach Santa Teresa verschlägt.

Mit knapp 1.100 Seiten ein echtes Leseabenteuer zum Schmökern.

Roberto Bolaño: 2666. Aus dem Spanischen von Christian Hansen. München: Carl Hanser, 2009. ISBN: 978-3-446-23396-6. Preis: € 29,90.

Der Mann schläft

Sibylle Berg (geb. 1962 in Weimar) ist derzeit wahrscheinlich die einzige erfolgreiche, wirklich misanthropische Autorin in deutscher Sprache. Ihr erstes Buch erschien 1997 unter dem hübschen Titel »Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot«. Es erzählt in einer erstaunlich unbarmherzigen und schlanken Prosa vom Leben einer Gruppe junger Leute. Schon in diesem ersten Text war ein ganz eigener Ton zu vernehmen, der Sibylle Berg sofort aus dem Gros der sogenannten jungen Autoren heraushob. Sie publiziert seitdem mit schöner Regelmäßigkeit, neben Romanen und Erzählungen inzwischen auch Theaterstücke, und hat außerdem zwei umfangreiche Bände mit Abschiedsbriefen herausgegeben, einen mit Frauen, einen zweiten mit Männern als Verfasser/innen. Viele Leser werden ihre Texte auch aus der »Zeit« oder der »NZZ« kennen.

Ihr jüngster Roman erschien im letzten Jahr und wurde für den Deutschen Buchpreis 2009 nominiert. Erzählt wird die Geschichte einer Frau in mittleren Jahren, die nach langen Jahren des Menschenhasses endlich einen Mann findet, mit dem sie zusammenleben kann. Nachdem die beiden vier Jahre zusammen sind, unternehmen sie ihre zweite gemeinsame Urlaubsreise nach Hongkong, genauer auf eine kleine Insel vor Hongkong. Dort verschwindet der Mann eines Tages spurlos … Erzählt wird die Geschichte in abwechselnden Kapiteln, die zum einen von den vier Jahre des Zusammenlebens, zum anderen von der Zeit nach dem Verschwinden des Mannes berichten. Beide Erzählstränge vereinigen sich auf den letzten Seiten des Buches.

Ein außergewöhnliches, provokantes und spannendes Buch.

Sibylle Berg: Der Mann schläft. München: Carl Hanser, 2009. ISBN: 978-3-446-23388-1. Preis: € 19,90.

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