Zugzwang

In Zugzwang gerät ein Schachspieler, wenn er dadurch, dass er am Zug ist, zwangsläufig verlieren muss: Jeder mögliche Zug bringt seinem Gegner einen entscheidenden Vorteil.

Der Roman »Zugzwang« von Ronan Bennett spielt im Frühjahr 1914 in Petersburg. Im Mittelpunkt steht der Psychoanalytiker Otto Spethmann, bei dem eines Tages unverhofft ein Polizei-Inspektor auftaucht, um ihn in einer Mordsache zu befragen, bei der in der Jacke des Opfers Spethmanns Visitenkarte gefunden wurde. Spethmann gibt wahrheitsgemäß an, dass ihm der Name des Ermordeten nichts sage, wird aber – zusammen mit seiner Tochter – für den nächsten Tag aufs Polizeirevier geladen.

Noch am selben Abend erzählt er dies einer seiner Patientinnen, die daraufhin ihren einflussreichen Vater bittet, sich beim Innenministerium für Spethmann zu verwenden. Doch wird damit gerade das Gegenteil erreicht: Der Inspektor gibt nicht nach, sondern inhaftiert Vater und Tochter. Es stellt sich sehr bald heraus, dass Spethmanns Tochter den Ermordeten sehr wohl gekannt hat. Sie weigert sich aber hartnäckig, der Polizei mitzuteilen, was sie über ihn weiß. Zwar werden die beiden nach einigen Wochen wieder aus der Haft entlassen, aber damit beginnen erst die Verwicklungen, die langsam, aber sicher eine brisante politische Verschwörung offenbaren …

Bennett hat mit »Zugzwang« ein flottes Buch geschrieben, das zwischen Historischem Roman und Agententhriller changiert. Dass er es vor dem Hintergrund des berühmten Schachturniers 1914 in Petersburg spielen lässt, bleibt zwar eher dekorativer Natur, tut der Geschichte aber auch weiter keinen Abbruch. Echtes Lesefutter für alle, die Spannung lieben.

Ronan Bennett: Zugzwang. Berlin: Bloomsbury, 2007. ISBN: 978-3-8270-0681-3. Preis: € 19,90.

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Kalender Girls

Das Women’s Institute (WI) ist die größte Frauenorganisation Englands. Etwa 205.000 Frauen sind in über 7.000 lokalen Gruppen organisiert. Es handelt sich um eine eher traditionelle Organisation, die sich besonders im ländlichen Raum der Pflege häuslicher Fähigkeiten widmet: Handarbeiten, Backen, Gartenpflege. Natürlich zählen auch wohltätige Aktivitäten zu ihren Aufgaben. Eine der beliebtesten Einnahmequelle stellt dabei der jährliche WI-Kalender dar.

Der Film »Kalender Girls« erzählt die wahre Geschichte einer WI-Gruppe, in der zwei unorthodoxe Frauen, Chris (Helen Mirren) und Annie (Julie Walters), die Idee entwickeln, den üblichen, langweiligen Kalender mit Nacktfotos aufzupeppen. Neun weitere Damen im besten Alter, die bereit sind, sich dafür auszuziehen, sind schnell gefunden. Weit komplizierter ist es, an einen Fotografen heranzukommen, der das richtige Konzept zur Gestaltung des Kalenders hat. Und dann ist der Fotograf ein Mann, und die meisten der Kalender-Girls haben sich noch nie vor einem Fremden ausgezogen. Und zu guter Letzt muss auch noch die nationale Leitung des WI von dem Projekt überzeugt werden.

Nachdem die Kalender-Girls alle diese Schwierigkeiten ebenso gutgelaunt wie hartnäckig überwunden haben, stehen sie mit einem Schlag im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit: Sie erscheinen auf allen Titelseiten, das Fernsehen berichtet auf allen Kanälen und schließlich erhalten sie sogar einen Anruf aus Hollywood …

Eine fröhliche und lebendige Komödie bester englischer Tradition.

»Kalender Girls«. GB/USA, 2003. FSK: ohne Altersbeschränkung. 1 DVD, Touchstone. Länge: ca. 104 Minuten. Sprachen: Deutsch, Englisch, Italienisch, Türkisch. Extras: Interviews mit den echten Kalender-Girls; Making-of; nicht verwendete Szenen. Preis: ca. € 9,-.

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Der Sängerkrieg der Heidehasen

Kennen Sie Obereidorf? Den bekannten Luftkurort im Reich der Heidehasen, in dem König Lamprecht VII. nach alter Väter Sitte herrscht? Einmal im Jahr steht Obereidorf im Zentrum der Aufmerksamkeit aller Heidehasen: Dort findet dann der berühmte Sängerkrieg statt. Und in diesem Jahr geht es nicht nur um die Ehre des besten Sängers, sondern auch um die Hand der schönen Prinzessin. Denn da Lamprecht VII. keinen Sohn hat, will es die Tradition, dass er seine Tochter mit dem besten Sänger des Reiches vermählt. Kein Wunder also, dass der Minister für Hasengesang und der Direktor des Hasen-Musikvereins ein Komplott schmieden: Gegen Zahlung von 100.000 Hasentalern will der Minister seinen Einfluss beim König zugunsten des Direktors verwenden, damit dieser Sieger wird.

Leider taucht aber unverhofft ein begabter Konkurrent auf: Der junge Hüpfer Lodengrün bewirbt sich um die Zulassung zum Sängerkrieg und stellt dabei seine famose Stimme unter Beweis. Minister und Direktor beschließen daher, dafür zu sorgen, dass er nicht rechtzeitig zum Sängerkrieg erscheinen wird. Aber wie so oft haben die Bösewichte ihre Rechnung ohne den Wirt gemacht …

Der Helgoländer James Krüss hat mit »Der Sängerkrieg der Heidehasen«, der 1958 zum ersten Mal auf Platte erschien, ein kleines, humoristisches Meisterstück geliefert. Zum Glück ist diese Produktion, die u. a. mit so brillanten Sprechern wie Charles Regnier, Franz Muxeneder, Klaus Havenstein und Marianne Brandt glänzt, wieder lieferbar. Ergänzt wird das Hörspiel durch ein Büchlein im Carlsen Verlag, das nicht nur von Ole Könnecke aufs Liebevollste illustriert wurde, sondern auch alle vorgetragenen Lieder mit Noten liefert.

James Krüss: Der Sängerkrieg der Heidehasen. Hamburg: HÖRCOMPANY, 2005. 1 CD, 33 Minuten Laufzeit. Preis: ca. € 14,00.

Der Mondmann

Der amerikanische Komiker Andy Kaufman (1949-1984) hat in den USA praktisch im Alleingang eine gänzlich neue Art des Humors sowohl auf den Bühnen als auch im Fernsehen etabliert. Seine skurrilen Auftritte waren bald legendär, aber anstatt sich auf seiner Popularität auszuruhen, trieb Kaufman sein Spiel mit der Realität immer weiter fort und provozierte und verwirrte sein Publikum immer aufs Neue. Wie sehr Kaufman bei seinen Aktionen auf Verunsicherung und Überraschung setzte, lässt sich nicht zuletzt daran ablesen, dass viele seiner Fans seinen viel zu frühen Tod nur für eine weitere seiner Inszenierungen gehalten und lange Zeit auf seine gloriose Rückkehr aus dem »Reich der Toten« gewartet haben.

Der tschechische Regisseur Milos Forman (Einer flog über das Kuckucksnest, Amadeus) war selbst schon lange ein Fan Andy Kaufmans. So entwickelte er nach dessen Tod den Plan, einen Film über Kaufman zu drehen. Dass er dabei Unterstützung zahlreicher Schauspieler-Kollegen Kaufmans, darunter Danny DeVito, erhielt, ist einer der Glücksfälle des Films. Der andere ist sein Hauptdarsteller: Der oft als reiner Hampelmann-Darsteller unterschätzte Jim Carrey (Die Maske, Bruce Allmächtig) beweist in diesem Film einmal mehr seine Wandlungsfähigkeit und sein tiefgreifendes Verständnis für seine Rollen.

Der Film ist weniger eine genaue Biographie Kaufmans als vielmehr ein Mosaik von Episoden seines Lebens. Ein pointierter, anarchischer und zugleich liebevoller Film über einen Künstler, der immer wieder versucht hat, die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Inszenierung zu verwischen.

»Der Mondmann«. GB/D/J/USA, 1999. FSK: ab 12. 1 DVD, Concorde. Länge: ca. 114 Minuten. Sprachen: Deutsch, Englisch. Extras: 2 R.E.M.-Musikvideos; Interviews mit Regisseur und Darstellern; Making-of; nicht verwendete Szenen. Preis: ca. € 8,–.

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Schloss Gripsholm

Als Kurt Tucholsky im Winter 1930/31 an »Schloß Gripsholm« arbeitete, befand er sich in einer schwierigen Lebenslage: Seit Jahren litt er unter wechselnden Krankheiten. Er war von der langen Zeit, in der er sich sowohl beruflich als auch privat immer Übermäßiges abverlangt hatte, ausgelaugt und fühlte sich müde. Außerdem hatte sich die Zeitungs- und politische Landschaft in Deutschland gewandelt: Die linken und freiheitlichen Blätter, für die er geschrieben hatte, verschwanden mehr und mehr, und Tucholskys finanzielle Basis war dünn geworden.

Deshalb versuchte er, sich neben dem Journalismus weitere Arbeitsfelder zu erschließen: Er schrieb ein Filmmanuskript, das aber nie produziert wurde, und nach beinahe 20 Jahren wieder einmal eine umfangreiche Erzählung. Er wusste, dass das Buch ein Erfolg werden musste, um ihn zu sanieren.

Und das ist das Buch auch geworden: Eine wunderbar leichte Erzählung von Liebe und Sommer, von der Freiheit und vom Sichvertragen der Menschen untereinander, vom Spazierengehen und Plaudern und davon, wie schön es sein kann, gemeinsam mit der Geliebten »die Seele baumeln zu lassen«. Eingeflochten in diese Sommergeschichte findet sich als Gegenstück eine andere: Die der neunjährigen Ada, die von ihrer Mutter in ein Kinderheim gegeben wurde, in dem eine fürchterliche Megäre herrscht, die die Kinder tyrannisiert und schikaniert. Und natürlich müssen der Erzähler und seine Geliebte Lydia ausziehen, um dieses Kind zu retten …

»Schloß Gripsholm« ist zu Recht einer der beliebtesten Texte Tucholskys. So ein Buch ist in der deutschen Literatur nicht oft gelungen.

Kurt Tucholsky: Schloß Gripsholm. rororo 10004. ISBN: 978-3-499-10004-8. Preis: € 6,90.

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Bei Goethe zu Gast

Durch Martin Walsers kontrovers diskutierten Roman »Ein liebender Mann« steht Goethe gerade wieder einmal im Zentrum der Öffentlichkeit. Manch ein Leser des Romans oder der Rezensionen wird wünschen, sich ein unmittelbareres Bild von dem Weimarer Dichter machen zu können. Nun sind die meisten Sammlungen von Goethes Briefen und Gesprächen zu umfangreich, um sich einen schnellen, doch prägnanten Eindruck zu verschaffen.

Zum Glück hat der Goethe-Kenner Werner Völker eine kleine Auswahl von zeitgenössischen Berichten zusammengestellt, die Besucher des Hauses am Frauenplan niedergeschrieben haben. Die Auswahl beginnt mit Karl Philipp Moritz nach Goethes Rückkehr aus Italien im Jahr 1788 und endet mit Notizen des Weimarer Prinzenerziehers Frédéric Soret aus Goethes Todesjahr 1832. In dieser Zeitspanne war Goethe langsam aber sicher zur wichtigsten Sehenswürdigkeit der Thüringischen Residenz geworden. Kaum ein Besucher der Stadt, der ein wenig auf sich hielt, verzichtete darauf, am Frauenplan seine Karte abzugeben und zu hoffen, von Goethe zu einer Audienz oder sogar zum Essen geladen zu werden. Nicht alle diese Begegnungen sind glücklich verlaufen: So ist etwa der junge Heinrich Heine von der persönlichen Bekanntschaft mit Goethe tief enttäuscht, was seiner Verehrung des Werks aber keinen Abbruch getan hat.

Werner Völker leitet jeden Abschnitt des Büchleins mit einer kurzen Vorstellung der Autorin bzw. des Autors ein und gibt auch zwischendurch hilfreiche Erläuterungen. Ein schönes Buch für alle, die Goethe aus der Nähe kennenlernen möchten.

Bei Goethe zu Gast. Besucher in Weimar. Hg. v. Werner Völker. it 1725. ISBN: 978-3-458-33425-5. Preis: € 7,50.

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Der große Bagarozy

Die Psychiaterin Cora Dulz durchlebt eine milde Form der Midlife-Crisis: In ihrer Ehe mit dem Steuerberater Robert sind seit längerem Routine und Stagnation eingetreten und vor kurzer Zeit haben sich zwei ihrer Patienten das Leben genommen, so dass sie sich einerseits ein wenig Sorgen um die Reputation ihrer Praxis macht, sich aber andererseits eingestehen muss, dass sie ihr Leben und ihre Patienten oft langweilen.

Da taucht eines Tages Stanilaus Nagy in ihrer Praxis auf, ein junger Mann, der zuerst nur angibt, ihm sei Maria Callas leibhaftig erschienen. Doch im weiteren Verlauf der Behandlung steigern sich Nagys Behauptungen immer mehr ins Wahnhafte: Er sei der menschgewordene Teufel und habe, allerdings in Gestalt eines schwarzen Pudels, die Karriere und das Leben der Maria Callas nicht nur begleitet, sondern nach seinen Launen in die eine oder andere Richtung gelenkt. Cora fühlt sich von Anfang an zu dem merkwürdigen Patienten hingezogen, und sehr bald lässt sie sich auch privat auf ihn ein: So verbringt sie mit ihm einige nächtliche Stunden in einem Kaufhaus, in dem Nagy angeblich als Detektiv arbeitet, oder sie lässt es zu, dass er ihr aus einem Schaufenster, das er einschlägt, eine Spieluhr stiehlt. Aber Nagy rüttelt sie nicht nur auf und bringt ihr eingefahrenes Leben durcheinander, die Begegnung mit ihm spitzt auch ihre eigene Krise gefährlich zu …

Helmut Krausser ist mit diesem kleinen Roman eine seiner leichtesten und humoristischsten Erzählungen gelungen. Das Buch wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und auch mit großem Erfolg von Bernd Eichinger mit Corinna Harfouch und Til Schweiger in den Hauptrollen verfilmt.

Helmut Krausser: Der große Bagarozy. rororo 22479. ISBN: 978-3-499-22479-9. Preis: € 7,90.

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Einbruch und Diebstahl

Will Francis (Jude Law) ist Landschaftsarchitekt und hat gerade mit seinem Partner Sandy (Martin Freeman) ein Büro im Londoner Stadtteil Kings Cross eröffnet. Die Gegend gilt als unsicher, und bereits in der ersten Nacht wird das Büro ausgeraubt. Als sei das nicht genug, passen die Diebe auch die Ersatzlieferung an Computern und Bildschirmen ab und berauben das Büro in der Nacht darauf zum zweiten Mal. Und auch privat hat Will es gerade nicht leicht: Seine Beziehung zu Liv (Robin Wright Penn) durchläuft eine ernste Krise.

Parallel dazu lernen wir auch einen der Diebe näher kennen: Miro (Rafi Gavron) ist ein junger Bosnier, der mit seiner Mutter Almira (Juilette Binoche) ganz in der Nähe von Wills Büro lebt. Almira arbeitet in ihrer kleinen Wohnung als Schneiderin; viel Geld haben die beiden nicht. Und so fällt es Almiras Schwager leicht, Miro zu Diebstählen anzuhalten.

Nach dem zweiten Einbruch beschließen Will und Sandy ihr Büro nachts zu bewachen, und als die Diebe dreist genug sind, einen dritten Einbruch zu wagen, verfolgt Will Miro bis zu dessen Wohnung. Will beschließt, auf eigene Faust Beweise gegen Miro zu sammeln. Er wird deshalb Kunde bei Almira und beginnt mit ihr zu flirten, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Doch langsam, aber sicher geraten seine Pläne und Gefühle außer Kontrolle …

Regisseur Anthony Minghella (Der englische Patient) hat mit »Breaking and Entering« einen kleinen, lokalen Film mit Weltstars gedreht, der beinahe schon zu viele Themen in kurzer Zeit anschneidet. Der Film ist besonders auch für Freunde Londons sehr zu empfehlen.

»Breaking and Entering – Einbruch und Diebstahl«. USA/GB, 2006. FSK: ab 12. 1 DVD, Touchstone. Länge: ca. 114 Minuten. Sprachen: Deutsch, Englisch, Italienisch, Türkisch. Extras: Regiekommentar; Making-of; nicht verwendete Szenen. Preis: ca. € 15,-.

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Bekenntnisse eines Italieners

Der kleine Carlino Altoviti, geboren 1775, wächst nahe Venedig auf der Burg seines Onkels, des Grafen von Fratta, auf. Da er das Kind einer Mesalliance einer Schwester der Gräfin ist, wird Carlino zwar geduldet, ist aber lange Zeit ein eher unwillkommner Gast. Zwar spielt er mit den seinen beiden Kusinen, den Töchtern des Grafen von Fratta, aber sonst hat er mehr Umgang mit dem Gesinde der Burg und verbringt viel Zeit in der Küche. Er verliebt sich in seine jüngere Kusine, Pisana, die launisch ihre Gunst mal diesem, mal jenem jungen Herrn zuwendet. Je älter Carlino wird, desto mehr wächst seine Leidenschaft für Pisana und desto sprunghafter werden deren Launen und Gunstbeweise.

Carlino durchläuft eine juristische Ausbildung, macht in Venedig politische Karriere und erlebt so in der Zeit der Napoleonischen Feldzüge unmittelbar den Niedergang und Fall der ehemals mächtigen Republik. Der Sturz Napoleon lässt in nach London fliehen, von wo aus er viele Jahre später als Kaufmann nach Venedig zurückkehrt. Aber auch diesmal wird er wieder in politische und private Aufregungen verwickelt …

Ippolito Nievo (1831–1861), ein Spätling der italienischen Romantik, hat diesen umfangreichen Roman, der ein Leben von achtzig Jahren schildert, im Alter von nur 27 Jahren, drei Jahre vor seinem Tod, vollendet. Das Buch wurde erst 1867 aus dem Nachlass herausgegeben. Jetzt erst legt der Zürcher Manesse-Verlag erstmals eine ungekürzte deutsche Ausgabe dieser gelungenen Mischung von Schelmen-, Abenteuer-, Liebes- und historischem Roman vor – ein Panorama der Geschichte und Gesellschaft Nord-Italiens der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Ippolito Nievo: Bekenntnisse eines Italieners. 2 Bände. Zürich: Manesse, 2005. ISBN: 978-3-7175-0109-1. Preis: € 53,80.

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Das Buch des Vaters

Nachdem Widmer im Jahr 2000 »Der Geliebte der Mutter«, das ich in der letzten Woche empfohlen habe, veröffentlicht hatte, wurde von Kritikern angemerkt, dass der Vater des Erzählers in dem Buch praktisch keine Rolle spiele. Widmer versprach daraufhin, auch ein Buch über den Vater zu schreiben. Vier Jahre später lag es tatsächlich vor: »Das Buch des Vaters«.

Während »Der Geliebte der Mutter« eine tragische Liebesgeschichte erzählt, ist »Das Buch des Vaters« von Beginn an als Schelmengeschichte angelegt. Der Vater, Karl, stammt aus der Schweizer Provinz, einem Dorf, in dem vor den Häusern die Särge der Bewohner aufgestapelt sind und alle Kinder an ihrem zwölften Geburtstag ein leeres Buch erhalten, in das hinein sie von jenem Tag an ihr Leben schreiben.

Dieses »Buch des Vaters« ist das erste in einer unübersehbaren Reihe von Büchern: Der Vater studiert Romanistik, geht nach Paris und kauft dort in den Antiquariaten von seinem wenigen Geld ein Buch nach dem anderen. Er kauft beschädigte Exemplare oder unvollständige Werkausgaben und erliest sich so eine eigene Welt. Doch Freundschaft oder Liebe findet er nicht.

So kehrt er in die Schweiz zurück, schreibt seine Doktorarbeit, heiratet kurz entschlossen die Mutter des Erzählers und taucht wieder in seine Bücherwelt ein: Er wird Lehrer, Übersetzer und Schriftsteller, und während sein privates Leben an ihm vorübertreibt, lebt er mit und in seinen Büchern. Doch dann reißt ihn der Krieg aus seiner Welt heraus, und der Vater wird Soldat und Kommunist …

Mit dem »Das Buch des Vaters« hat Urs Widmer ein überraschendes Gegenstück zu »Der Geliebte der Mutter« geschaffen.

Urs Widmer: Das Buch des Vaters. detebe 23470. ISBN: 978-3-257-23470-1. Preis: € 8,90.

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