Harte Zeiten

Charles Dickens (1812–1870) ist nach seiner großen Popularität im 19. Jahrhundert in Deutschland in der Hauptsache mit seinen frühen Romanen in Erinnerung geblieben. »Oliver Twist« und »David Copperfield«, von Dickens durchaus für ein erwachsenes Publikum seiner Zeit geschrieben, sind heute vielen Lesern als Jugendbücher bekannt. Dickens’ Werke nach 1850 werden hierzulande heute nur noch selten gelesen, obwohl sie im angelsächsischen Raum wesentlich zu seinem Ruhm als Klassiker beitragen. Zu diesen Romanen gehört auch »Harte Zeiten« (1854), ein satirischer Roman, der sowohl den naiven Vernunftsglauben mancher dickensscher Zeitgenossen als auch die sozialen Probleme der englischen Industrialisierung thematisiert.

Im Mittelpunkt stehen Louisa und Tom Gradgrind, die unter dem strengen Regime ihres Vaters aufwachsen: Seine Erziehungsprinzipien verbieten jede Fantasie und alle Gefühle, statt Märchen- gibt es Mathematikbücher, statt Zirkusbesuchen stehen wissenschaftliche Erkenntnisse auf dem Programm. Wie sich leicht denken lässt, erweisen sich diese beiden »Kinder der Vernunft« als denkbar unvorbereitet für das »wirkliche Leben«: Kaum aus der Obhut des Vaters in eine Banklehre entlassen, verfällt Tom der Spielleidenschaft und häuft rasch hohe Schulden an, während seine Schwester den Bankdirektor heiratet, weil sie glaubt, sich so ihrem Bruder am besten nützlich machen zu können. Doch als sich im Haus ihres Mannes ein junger Parteifreund vorstellt, der sofort beginnt, ihr den Hof zu machen, weiß die in Gefühlsdingen völlig unerfahrene junge Frau bald nicht mehr aus noch ein …

Charles Dickens: Harte Zeiten. Aus dem Englischen von Paul Heichen. Insel Taschenbuch 955. ISBN: 978-3-458-32655-7. Preis: € 11,50.

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Ein Sommer in Venedig

Marek, ein neunjähriger polnischer Junge, freut sich auf seine Sommerferien: Er soll in diesem Jahr zusammen mit seiner Mutter zum ersten Mal nach Venedig fahren dürfen. Schon seine Großeltern haben die Lagunenstadt mehrfach besucht, und auch sein älterer Bruder hat die Eltern schon dorthin begleiten dürfen. Aber es kommt alles anders, denn es ist der Sommer 1939, und Mareks Mutter ist politisch engagiert und schiebt die Vorbereitungen zur Reise immer wieder hinaus. Als dann auch noch Mareks Vater einen Einberufungsbefehl erhält, wird der Urlaub endgültig abgesagt. Stattdessen fährt Marek mit seiner Mutter in den Süden Polens zu seiner Tante Weronika, die in einer Villa auf dem Land lebt. Hier vergisst Marek schon bald seine Enttäuschung, denn mit der Zeit belebt sich das Haus mehr und mehr: Weitere Tanten fliehen vor dem drohenden Krieg aufs Land, und auch Mareks Kusine Karola und sein älterer Bruder Wiktor treffen ein.

Da entdeckt Marek eines Tages im Keller eine »Quelle«, die einfach aus dem Boden sprudelt; nach und nach füllt sie alle Kellerräume mit Wasser. Und während draußen der Zweite Weltkrieg beginnt und die Straßen mit Flüchtlingen füllt, spielen Marek und seine Familie im Keller Venedig: Sie tragen Tische hinunter, legen Bretter als Stege zwischen sie, stellen Stühle und Sessel auf und verbringen so doch noch einige letzte Urlaubstage »in der Ferne«.

Diese atmosphärisch dichte Erzählung des in München und Warschau lebenden, polnischen Autors Włodzimierz Odojewski steht auf der Auswahlliste des Deutschen Jugendliteraturpreises 2008, sei aber ausdrücklich auch Erwachsenen ans Herz gelegt.

Włodzimierz Odojewski: Ein Sommer in Venedig. Aus dem Polnischen von Barbara Schaefer. München: SchirmerGraf, 2007. ISBN: 978-3-86555-044-6. Preis: € 14,80.

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Auf der anderen Seite

Fatih Akin, deutsch-türkischer Filmemacher, hatte bereits 2004 mit »Gegen die Wand« einen außergewöhnlichen Achtungserfolg bei Kritik und Publikum. Auch sein neuer Film »Auf der anderen Seite« erzählt eine deutsch-türkische Geschichte: Yeter (Nursel Köse) arbeitet als Prostituierte in Bremen. Eines Tages macht ihr ein älterer Freier, Ali Aksu (Tuncel Kurtiz), das Angebot, zu ihm zu ziehen und mit ihm zu leben. Er verspricht ihr denselben Monatsverdienst wie bisher, und Yeter ergreift das Angebot, ihrem bisherigen Leben zu entfliehen. Doch gleich am ersten Abend als Ali, Yeter und Alis Sohn Nejat (Baki Davrak) miteinander feiern, erleidet Ali einen Herzanfall und muss für einige Zeit ins Krankenhaus. Nachdem er wieder daheim ist, ist er oft schlechtgelaunt und eifersüchtig. Eines Tages schlägt er Yeter im Zorn, die unglücklich fällt und sofort tot ist.

Während Ali in Deutschland verurteilt wird und eine Haftstrafe antritt, sorgt Nejat für die Überführung der Leiche Yeters in die Türkei. In Istanbul angekommen, versucht er Yeters Tochter Ayten (Nurgül Yesilçay) zu finden, die spurlos verschwunden zu sein scheint. Ayten befindet sich zu dieser Zeit in Deutschland, da sie in der Türkei wegen ihrer politischen Aktivitäten gesucht wird. Sie kommt nach Hamburg, freundet sich mit der jungen Studentin Lotte (Patrycia Ziolkowska) an und begibt sich zusammen mit ihr in Bremen auf die Suche nach ihrer Mutter. Aber schon bald werden ihre falschen Papiere entdeckt und sie wird in die Türkei abgeschoben. Lotte folgt ihrer Freundin in die Türkei und wird dort in die Vergangenheit Aytens verwickelt …

»Auf der anderen Seite«. Deutschland/Türkei/Italien, 2004. FSK: ab 12 Jahren. 1 DVD, Pandora Film. Länge: ca. 116 Minuten. Sprachen: Deutsch, Türkisch. Preis: ca. € 16,-.

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Rot und Schwarz

Julien Sorel wächst in bescheidenen Verhältnissen in der Kleinstadt Verrières auf. Da er durch sein ungewöhnliches Gedächtnis dem Pfarrer auffällt, erhält er Unterricht und wird eines Tages Hauslehrer beim Bürgermeister der Stadt, Monsieur de Rênal. Der unerfahrene junge Mann verliebt sich bald glühend in Madame de Rênal, und beide beginnen einen Affäre, die nur mit knapper Not der Entdeckung entgeht. Julien flieht nach Besançon und schreibt sich dort ins Priesterseminar ein. Aber auch hier kommt er nicht zur Ruhe, da Karriereneid und Intrigen das Seminar beherrschen. Als Juliens Mentor das Seminar verlässt, vermittelt er Julien den Posten eines Privatsekretärs im Hause des Marquis de la Mole.

Dort trifft Julien auf die Tochter des Hauses, Mathilde, eine gelangweilte junge Aristokratin, für die Julien eine interessante Abwechslung ihres Alltags bedeutet. Sie verführt Julien, weist ihn dann wieder zurück, verführt ihn ein weiteres Mal und gesteht sich schließlich ihre Liebe zu ihm ein. Julien, der durch ein Wechselbad der Gefühle gegangen ist, sieht sich plötzlich am Ziel seiner Träume: Die schwangere Mathilde will ihren Vater dazu nötigen, einer Hochzeit der beiden zuzustimmen, als eines Tages ein fataler Brief im Hause de la Mole eintrifft …

Stendhal (eigtl. Henri-Marie Beyle, 1783-1842) hat mit »Rot und Schwarz« sein erstes Meisterwerk auf der Grenze zwischen Romantik und Realismus verfasst. Die Neuübersetzung von Elisabeth Edl präsentiert diesen Klassiker der Weltliteratur zum ersten Mal in einer dem Original adäquaten Sprache.

Stendhal: Rot und Schwarz. Aus dem Französischen von Elisabeth Edl. dtv Taschenbuch 13525. ISBN: 978-3-423-13525-2. Preis: € 14,90.

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Am Strand

Juli 1962: Im englischen Dorset sieht das junge Ehepaar Florence und Edward in einer Hotelsuite seiner Hochzeitsnacht entgegen. Florence ist Violinistin und in einem begüterten und weltoffenen Haushalt aufgewachsen, Edward, der Geschichte studiert hat, stammt aus eher bescheidenen und komplizierten häuslichen Verhältnissen. Beide haben, wie man so schön sagt, ihr ganzes Leben noch vor sich. Doch jetzt gilt es erst einmal, die Nacht glücklich zu überstehen.

Sowohl Edward als auch Florence haben Angst vor der bevorstehenden Nacht: Edward fürchtet, als Mann zu versagen, Florence hat einen heimlichen Ekel vor allem, was mit Sexualität zu tun hat. Natürlich ist es für beide undenkbar, über ihre Furcht zu sprechen, denn, wie der Autor Ian McEwan gleich zu Anfang betont: Sie leben »in einer Zeit, in der Gespräche über sexuelle Probleme schlicht unmöglich waren. Einfach sind sie nie.«

Und so kommt es, wie es kommen muss: Die Hochzeitsnacht wird zu einem Desaster, das sowohl Florence als auch Edward mit tiefen Schuldgefühlen zurücklässt. Florence flüchtet spontan aus dem Hotelzimmer an den nahe gelegenen Strand. Dort findet Edward sie einige Zeit später, doch der Versuch einer Aussprache endet nur in noch größerer Verletzung der beiden Liebenden. So läuft Florence wieder davon, und als Edward ins Hotel zurückkommt, ist sie abgereist. Die Ehe wird annulliert und beide gehen getrennte Lebenswege.

Ian McEwan hat mit dieser Erzählung aus den Zeiten vor der sogenannten Sexuellen Revolution einmal mehr sein außergewöhnliches psychologisches Einfühlungsvermögen unter Beweis gestellt.

Ian McEwan: Am Strand. Zürich: Diogenes, 2007. ISBN: 978-3-257-06607-4. Preis: € 18,90.

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Lexikon des Unwissens

Wenn wir über Zeit sprechen, wissen wir, was das ist; wir wissen es auch, wenn ein anderer darüber zu uns spricht. Was also ist die Zeit? Wenn niemand mich danach fragt, weiß ich es; wenn ich es jemand auf seine Frage hin erklären will, weiß ich es nicht.

Dieses berühmte Zitat des Kirchenvaters Augustinus könnte als Motto für das kleine »Lexikon des Unwissens« dienen. Es ist eine vergnügliche Sammlung dessen, was wir nicht wissen oder zumindest nicht so ganz genau wissen.

Wissen Sie zum Beispiel, was Geld ist? Natürlich wird jeder Laie diese Frage auf Anhieb mit »Natürlich!« beantworten und in aller Gelassenheit auf sein Portemonnaie klopfen. Aber sobald man mit einem Fachmann spricht, wird die Sache kompliziert. Die Fragen nach dem, was Geld sei, wie viel es eigentlich davon gebe und welche Auswirkungen seine Existenz genau habe, haben tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten unter Volkswirtschaftlern erzeugt.

Oder wissen Sie zum Beispiel, warum sich manche Blätter im Herbst rot verfärben? Es wäre wunderlich, denn nicht einmal die Biologen sind sich darüber einig, warum einige Bäume im Herbst Anthocyane bilden, die für die rote Farbe verantwortlich sind.

Und genauso wenig ist bis heute verstanden, wie Katzen ihr Schnurren hervorbringen, warum Hawaii existiert oder ob es sich beim sogenannten Voynich-Manuskript um eine unentschlüsselbare Geheimschrift oder einen schlichten Betrug handelt. Über all diese und viele andere Dinge berichten Kathrin Passig und Aleks Scholz auf unterhaltsamste Weise. Sie habe das Buch aus Texten ihres Blogs www.riesenmaschine.de zusammengestellt.

Kathrin Passig / Aleks Scholz: Lexikon des Unwissens. Berlin: Rowohlt, 2007. ISBN: 978-3-87134-569-2. Preis: € 16,90.

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Man of the Year

Tom Dobbs (Robin Williams) ist ein erfolgreicher Komiker mit einer eigenen Polit-Komik-Show. Eines Tages macht eine Zuschauerin während der Aufwärmphase der Show den Vorschlag, angesichts der weit verbreiteten Politikverdrossenheit möge Dobbs doch für das Amt des Präsidenten kandidieren. Dobbs nimmt diesen Vorschlag während der Sendung scherzhaft auf, was eine wahre Flut von zustimmenden E-Mails auslöst. Und so verkündet Dobbs einige Wochen später, dass er sich als Parteiloser zur Wahl zum Präsidenten der Vereinigten Staaten stellen wird.

Gleichzeitig führt am anderen Ende der USA die Programmiererin Eleanor Green (Laura Linney) einen Test des Programms durch, mit dem bei der bevorstehenden Präsidentenwahl landesweit die Stimmen ausgezählt werden sollen. Dabei macht sie eine beunruhigende Feststellung: Gleichgültig, wie viele Stimmen sie für wen abgibt, es gewinnt immer derselbe Kandidat. Sie schreibt daraufhin eine E-Mail an ihren Chef, der aber angesichts der Tatsache, dass sein Unternehmen an der Börse boomt und die Zeit bis zur Wahl für eine Fehlersuche zu knapp ist, seine Mitarbeiterin mit einer beschwichtigenden Antwort abspeist und hofft, die Sache werde sich von selbst erledigen.

Und so kommt es am Wahlabend, wie es kommen muss: Tom Dobbs, obwohl krasser Außenseiter, gewinnt aufgrund des Software-Fehlers die Wahl zum Präsidenten der USA …

Barry Levinson (»Good Morning, Vietnam«, »Rain Man«) nimmt mit dieser politischen Satire einmal mehr die demokratische Kultur der USA aufs Korn. Eine brillant besetzte Fortsetzung des Erfolgs von »Wag the Dog«.

»Man of the Year«. USA, 2006. FSK: ab 6 Jahren. 1 DVD, Universal. Länge: ca. 110 Minuten. Sprachen: Deutsch, Englisch, Spanisch. Preis: ca. € 15,-.

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Exit Ghost

Zwischen 1979 und 1985 veröffentlichte Philip Roth insgesamt vier Bücher, in deren Mittelpunkt der fiktive Schriftsteller Nathan Zuckerman steht. Bis heute sind noch fünf weitere gefolgt, in denen er eine prominente Rolle spielt. Im letzten Jahr erschien mit »Exit Ghost« (der Titel ist Zitat einer Bühnenanweisung Shakespeares, bedeutet also soviel wie »Geist ab«) wahrscheinlich der Abschluss dieser Reihe.

»Exit Ghost« führt den 71-jährigen Nathan Zuckerman im Oktober 2004 nach New York zurück. Die letzten elf Lebensjahre hat er in der Provinz in Massachusetts verbracht, zurückgezogen in ein abgelegenes Haus, hat geschrieben und gelesen und nur wenige Menschen getroffen. Doch hat er vor neun Jahren eine Prostata-Operation über sich ergehen lassen müssen und leidet bis heute an deren Folgen: Inkontinenz und Impotenz. Nach New York kommt er in der Hoffnung, eine neue Behandlungsmethode könne ihn wenigstens von der ihm lästigen und peinlichen Inkontinenz befreien. Weil der Erfolg der Behandlung abgewartet und sie eventuell auch wiederholt werden muss, entschließt sich Zuckerman, für einige Zeit eine Wohnung in der Stadt zu nehmen. Da stößt er durch Zufall auf die Anzeige eines jungen Paares, das einen Wohnungstausch anbietet, um selbst aus New York herauszukommen. Schon bei der ersten Begegnung mit dem Paar verliebt sich Nathan Knall auf Fall in die junge Frau.

Doch damit beginnen erst die Verwicklungen, die den alternden Nathan nicht nur noch einmal mit den Nöten der Liebe konfrontieren, sondern ihn auch tief in seine Vergangenheit (die wir im ersten Zuckerman-Roman »Der Ghostwriter« finden) zurückführen werden …

Philip Roth: Exit Ghost. Aus dem Amerikanischen v. Dirk van Gunsteren. München: Hanser, 2008. ISBN: 978-3-446-23001-9. Preis: € 19,90.

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Caesar

Gisbert Haefs ist einer der Fleißigsten im deutschen Literaturbetrieb: Er ist nicht nur Übersetzer aus dem Englischen, sondern auch Herausgeber der deutschen Werkausgaben von Rudyard Kipling (»Das Dschungelbuch«), Ambrose Bierce (dessen »Wörterbuch des Teufels« hier schon empfohlen wurde) oder der argentinischen Autoren-Legende Jorge Luis Borges. Zudem ist er ein erfolgreicher Verfasser von Kriminal- und anderen Romanen, darunter auch eine ganze Reihe, die in der Antike spielen. Nun hat Haefs nach Hannibal und Alexander dem Großen auch dem römischen Feldherrn und Politiker Gaius Iulius Caesar einen Roman gewidmet.

In dessen Mittelpunkt steht Aurelius, einer von Caesars altgedienten Centurios, der von Caesar reaktiviert wird und ihn und seine Feldzüge von der Niederschlagung des gallischen Aufstands unter Vercingetorix im Jahr 52 v. Chr. bis in Caesars Todesjahr 44 v. Chr. begeleitet. In dieser Zeit bilden die Belagerung und Schlacht um Alesia – eine der militärischen Glanzleistungen Caesars – und sein Aufenthalt in Ägypten die beiden Höhepunkte.

Immer im Wechsel mit den Kapiteln um Caesar finden sich andere, die die römische Geschichte von den Gracchen (2. Jahrhundert v. Chr.) bis zur Kaiserzeit nacherzählen. Diese Kapitel folgen inhaltlich den Doppelbiografien Plutarchs, sind aber in einer lockeren, modernen Sprache gehalten, die ihre Lektüre auch für den nicht in antiker Geschichte Bewanderten zu einem Vergnügen machen. Weit entfernt von akademischer Strenge und Sprache werden so die Protagonisten der römischen Geschichte zu Menschen aus Fleisch und Blut. Einmal mehr ist es Haefs hier gelungen, die antike Welt lebendig werden zu lassen.

Gisbert Haefs: Caesar. Heyne Taschenbuch 47086. ISBN: 978-3-453-47086-6. Preis: € 8,95.

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Lauter Gedichte

Unter den Anthologien sind Gedichtsammlungen unzweifelhaft die beliebtesten: Klassiker wie Ludwig Reiners »Der ewige Brunnen« oder Echtermeyer/von Wieses »Deutsche Gedichte« sind zu Zehntausenden verkauft und verschenkt worden, und auch Karl Otto Conradys großes Gedichtbuch, jetzt als »Der neue Conrady« im Buchhandel, hat sich mit den Jahren in zahlreichen Bücherschränken eingefunden.

Reclam hat nun dieses Angebot um eine weitere umfangreiche Sammlung ergänzt: Heinrich Detering, selbst ein nicht unbedeutender Lyriker und Übersetzer von Lyrik, hat auf 1.000 Seiten deutsche Gedichte vom Mittelalter bis zum 21. Jahrhundert versammelt. Seine Auswahl zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass er die einzelnen Autoren, darunter auch Überraschungen wie etwa Wolfgang Amadeus Mozart, beinahe immer nur mit einem Blitzlicht ihrer Gedichte erscheinen lässt. Detering setzt trotz des Umfangs der Sammlung eher auf Qualität als auf Quantität. Dass es dennoch insgesamt 1.000 Seiten geworden sind, liegt auch daran, dass er der deutschen Nachkriegslyrik bis ins 21. Jahrhundert hinein einen breiten Raum einräumt und so auch junge oder eher unbekannte Dichter zu Wort kommen. Bei zahlreichen Gedichte gibt Detering in kurzen sachlichen Erläuterungen Hilfestellung zum Verständnis, bevormundet den Leser aber nirgendwo. Im Anhang finden sich kurze biografische Porträts zu allen Verfassern, die für die historische Einordnung der Gedichte nützliche Informationen liefern.

Eine spannende, oft auch den Kenner überraschende Auswahl deutscher Gedichte, sowohl zum entdeckenden Stöbern als auch zur systematischen Lektüre geeignet.

Reclams großes Buch der deutschen Gedichte. Ausgewählt u. hg. v. Heinrich Detering. Stuttgart: Reclam, 2007. ISBN: 978-3-15-010650-1. Preis: € 36,90.

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