Unter dem schlichten Titel »Drei Erzählungen« erschien 1877 in Paris ein Band mit Geschichten aus der Feder Gustave Flauberts, die von Kritikern und Kollegen hoch gelobt wurden. Im Kleinen spiegelt jeder der drei Texte einen Aspekt des Flaubertschen Romanwerks wieder, so dass der nicht einmal 140 Seiten umfassende Band von Kennern durchaus für gleichrangig mit Flauberts Romanen gehalten wird.
Die Auftaktgeschichte »Ein schlichtes Herz« erzählt die Lebensgeschichte Félicités, die 50 Jahre lang als Mädchen für alles im Haushalt der verwitweten Madame Aubain arbeitet. Von zu Hause war sie weggelaufen wegen einer unglücklichen Liebe, und kaum in Pont-l’Évêque angekommen war sie Madame Aubain in die Arme gelaufen, die gerade eine neue Köchin suchte. Félicité geht ganz im Dienst für diese Familie auf; die Kinder Madame Aubains werden für sie wie ihre eigenen Kinder, und als die junge Virginie an einer Lungenentzündung stirbt, beginnt sie einen kleinen Totenkult um sie. Flaubert gelingt es auf knapp 50 Seiten dieses einfache Leben vollständig zu erfassen: Félicités Alltag, ihre Arbeit, ihre unverbrüchliche Treue zu ihrer Herrin, ihre naive Frömmigkeit, ihr Kult um die Toten, ihre Liebe nicht zuletzt zu einem Papagei, den sie noch in ausgestopftem Zustand wie eine Reliquie verehrt, alle diese Elemente fügen sich still und leise zum Lebensbild einer Frau zusammen, die ein schlichtes und dennoch berührendes Leben hatte.
Ergänzt wird das Buch durch »Die Legende von Sankt Julian dem Gastfreien«, eine etwas blutrünstigen Heiligenlegende, und »Herodias«, eine Nacherzählung der biblischen Geschichte vom Tod Johannes des Täufers.
Gustave Flaubert: Drei Erzählungen. Aus dem Franz. von E. W. Fischer. Diogenes Taschenbuch 20724. ISBN: 978-3-257-20724-8. Preis: € 7,90.