Das steinerne Herz

Im Jahr 1954 mietet sich in  dem kleinen Städtchen Ahlden in der Lüneburger Heide ein Fremder beim Ehepaar Thumann ein: Walter Eggers, ein Hobby-Historiker, der hauptsächlich an der Geschichte des Königreichs Hannover interessiert ist. Seine Wahl, sich bei den Thumanns einzumieten, erweist sich als nicht ganz zufällig. Frieda Thumann ist die Enkelin des hannöverschen Statistikers Jansen, dessen Jahrbücher Eggers für seine geplante Personalkartei des Königreichs Hannover benötigt.

Karl Thumann ist von Beruf Lastwagenfahrer, den seine Touren regelmäßig durch die DDR nach Berlin und zurück führen. Er hat dort eine Geliebte, Line Hübner, die in Ost-Berlin in einer Gartenlaube lebt. Zum Ausgleich hält sich Frieda schon bald an ihrem neuen Untermieter schadlos, dem sie seine Liebesdienste mit den von ihm begehrte Jahrbüchern entlohnt.

Walter Eggers nutzt die Gelegenheit, mit Karl nach Berlin zu fahren. Er hat vor, in der Berliner Staatsbibliothek ein Buch zu stehlen, bzw. es gegen eine andere Auflage desselben Buches auszutauschen. Nach Ahlden zurückgekehrt, will er  sich nach einiger Zeit heimlich aus dem Staub machen, als eine überraschende Entdeckung all seine Pläne über den Haufen wirft …

Arno Schmidt hat mit seinem »historischen Roman aus dem Jahre 1954 nach Christi« ein überraschend genaues und detailreiches Bild der beiden deutschen Staaten der 50er-Jahre geliefert. Besonders aufgrund seiner kritischen Haltung dem Adenauer-Staat gegenüber wurde der Roman 1956 nur in einer politisch entschärften Fassung gedruckt. Erst 30 Jahre später erschien  erstmals die ungekürzte Fassung des Textes.

Arno Schmidt: Das steinerne Herz. München: Süddeutsche Zeitung, 2008. ISBN: 978-3-86615-548-0. Preis: € 5,90.

W.

Oliver Stone hat seinen dritten Film über einen amerikanischen Präsidenten gedreht. 1991 beschäftigte er sich in »JFK« mit der Aufarbeitung der Widersprüche, die die offizielle Version der Ermordung John F. Kennedys enthielt und legte zugleich eine Verschwörung von Ex-Kubanern, der Mafia oder gar der Geheimdienste oder des Militärs nahe. Nur vier Jahre später kam mit »Nixon« sein mehr als dreistündiges, dunkles und in Europa bis heute wenig beachtetes Porträt des 37. US-Präsidenten in die Kinos. Und im vergangenen Jahr erschien, noch während seiner Amtszeit, mit »W.« sein Film über George W. Bush.

Stone verfolgt in diesem Film das Leben und die Karriere George W. Bushs (Josh Brolin) von seiner Universitätszeit bis zum sogenannten Ende des Irakkrieges. Dabei bildet die Zeit des Irakkrieges den erzählerischen Rahmen, in den durch Rückblenden die früheren Lebensstationen Bushs hereingeholt werden. Niemand, der Stones Filme kennt, wird ein positives Bild Bushs erwarten. Im Zentrum stehen denn auch eher dessen private, geschäftliche und politische Misserfolge sowie sein lange Zeit gespanntes Verhältnis zum Vater. Das Porträt ist dabei sicherlich nicht unaufrichtig, es ist nur ein wenig einseitig geraten, was einem aber den Spaß an diesem satirischen Kabinettstück nicht verderben sollte.

Der Film ist mit hervorragenden Schauspielern besetzt: Elizabeth Banks als Laura Bush, James Cromwell als Vater Bush, Richard Dreyfuss grandios in der Rolle Dick Cheneys, Jeffrey Wright als Colin Powell und nicht zuletzt eine unglaublich verklemmt wirkende Thandie Newton als Condoleezza Rice.

»W.«. USA, 2008. DVD, Planet Media. Sprachen: Deutsch, Englisch. Extras: Interviews mit Cast und Crew; Biografien; Trailer. Länge: ca. 124 Minuten. FSK: ab 12 Jahren.

Empörung

Marcus Messner ist auf der Flucht vor seinem überängstlichen Vater. Es ist das Jahr 1951, und Marcus fühlt sich von seinem Vater gegängelt und kontrolliert. Deshalb wechselt er das College und geht von seinem Heimatort Newark auch nach Winesburg in Ohio. Aber es ist nicht nur sein Vater, der Marcus Sorgen macht: Die USA befinden sich in Korea im Krieg, und Marcus befürchtet, nach dem College eingezogen zu werden und als einfacher Soldat in Korea zu sterben. Er will daher einen besonders guten Abschluss machen, damit er die Möglichkeit hat, sich für den Geheimdienst zu bewerben; auf diese Weise hofft er, dem eigentlichen Kampfgeschehen zu entgehen.

Marcus legt also alles darauf an, ein Musterstudent zu werden, aber das ist einfacher gesagt als getan, denn seine Mitbewohner im College haben ganz andere Ambitionen und lassen ihn nicht ungestört lernen. Marcus wechselt deshalb mehrfach das Zimmer, bis er schließlich ganz allein unter dem Dach haust. Das wiederum macht dem Dekan des College Sorgen, denn er befürchtet, Marcus isoliere sich von den anderen Studenten. Er lädt Marcus daher zu einem Gespräch ein, das einen ganz unvorhergesehenen Verlauf nimmt und damit endet, dass Marcus sich im Büro des Dekans übergibt …

Philip Roth stellt mit seiner neuen Erzählung »Empörung« einmal mehr seine Kunst unter Beweis, ganz einfache zwischenmenschliche Konstellationen mit einem überraschenden Reichtum an sozialen und psychischen Konflikten zu verknüpfen, aus denen sich für den Helden schier unauflösliche Probleme zu ergeben scheinen. Dass der Held am Ende nur über eine Lappalie stolpert, gibt der Geschichte eine schauervoll ironische Wendung.

Philip Roth: Empörung. Aus dem Amerikanischen v. Werner Schmitz. München: C.H. Beck, 2009. ISBN: 978-3-446-23278-5. Preis: € 17,90.

8 Blickwinkel

Agent Thomas Barnes (Dennis Quaid) gehört zum persönlichen Sicherheitsstab des US-amerikanischen Präsidenten (William Hurt). Vor einem Jahr hat er mit seinem Körper eine Kugel abgefangen, die für den Präsidenten bestimmt war. Heute ist er den ersten Tag wieder im Einsatz, und es ist gleich eine gefährliche Situation zu meistern: Der Präsident nimmt Teil an der öffentlichen Abschlusskundgebung einer von ihm angeregten internationalen Anti-Terror-Initiative. Die Versammlung findet auf dem Hauptplatz des spanischen Salamanca statt.

Natürlich kommt es, wie es kommen muss: Nicht nur treffen zwei Schüsse den Präsidenten, sondern nur wenig später explodiert auf dem Platz auch noch eine Bombe. Einzelne Agenten nehmen die Verfolgung eines Verdächtigen auf, Thomas Barnes aber lässt sich von einem amerikanischen Nachrichten-Sender, der vor Ort berichtet, das Bildmaterial zeigen und macht dabei eine unglaubliche Entdeckung …

Der Reiz des Filmes liegt nicht nur in seiner mitreißend inszenierten Handlung und der hervorragenden Besetzung (u. a. Forest Whitaker, Bruce McGill, Sigourney Weaver) , sondern auch darin, dass die gut 20 Minuten vor und kurz nach der Explosion immer erneut aus wechselnder Perspektive gezeigt werden: der der Fernseh-Journalisten, des Agenten Barnes, eines amerikanischen Touristen, des Präsidenten und nicht zuletzt aus der der Attentäter. Regisseur Pete Travis hat mit seinem ersten Kinofilm gleich ein visuelles Meisterstück abgeliefert, das sich mit großen Vorbildern des Genres problemlos messen kann.

»8 Blickwinkel«. USA, 2008. DVD, Sony. Sprachen: Deutsch, Englisch. Extras: Kommentar des Regisseurs; Making-of; Trailer. Länge: ca. 86 Minuten. FSK: ab 12 Jahren. Preis: ca. 10,– €.

Das Glück der anderen

Jacob Hansen lebt gegen Ende des 19. Jahrhunderts im Städtchen Friendship im nordamerikanischen Westen. Er ist verheiratet und hat eine kleine Tochter. In der Gemeinde hat er gleich mehrere Funktionen: Er ist Sheriff, zugleich Bestattungsunternehmer und Totengräber und zudem noch Prediger. Eines Tages wird er zu einem Leichenfund im Wald gerufen, und als er die Leiche in die Stadt bringt, findet er unterwegs auch noch eine desorientierte Frau. Er bringt beide zum Arzt von Friendship, dem rasch klar ist, dass sowohl der Tote als auch die Frau mit Diphtherie infiziert sind. Zu dieser Zeit gab es noch kein Mittel gegen die Erkrankung, und eine Infektion bedeutete in aller Regel ein Todesurteil. Als sei dies allein nicht schlimm genug, ist das kleine Städtchen auch noch durch einen Großbrand gefährdet, der sich aufgrund eines langen, trockenen Sommers unaufhaltsam ausbreitet.

Jacob Hansen ist ein pflichtbewusster Mann, dem der sorgfältige und respektvolle Umgang mit den Toten am Herzen liegt. Die Einwohner von Friendship halten ihn zwar für ein wenig verschroben, aber sie respektieren ihn. Doch kurz nach Ausbruch der Epidemie erkranken kurz nacheinander Hansens Tochter und Frau …

Stewart O’Nan hat mit »Das Glück der anderen« ein ruhiges und eindringliches Porträt eines Einzelgängers geschaffen, der unter schwierigsten Umständen weiterhin seinen Glauben behält und seinen Pflichten nachkommt. Das Buch ist durchgehend in der sehr seltenen Du-Form geschrieben, was eine interessante Spannung von Nähe und Distanz zum Geschehen erzeugt. Ein gelungenes literarisches Experiment.

Stewart O’Nan: Das Glück der anderen. Aus dem Amerikanischen v. Thomas Gunkel. rororo 23430. ISBN: 978-3-499-23430-9.

Der Namensvetter

Als die frischgebackenen Eltern Ashima und Ashoke Ganguli ihren erstgeborenen Sohn aus dem Krankenhaus mit nach Hause nehmen wollen, ergibt sich ein kleines Problem: Nach US-amerikanischem Recht darf ein Kind nur mit einen gültigen Geburtsschein entlassen werden, und auf den gehört nun einmal ein Vorname. Aber die Gangulis warten seit Wochen auf einen Brief von Ashimas Großmutter, in dem der Name für den neuen Erdenbürger stehen soll. In ihrer Not beschließen sie, ihren Sohn vorläufig zu benennen, und als der Arzt vorschlägt, doch den Namen eines bewunderten Vorbildes zu nehmen, wählt Ashoke den Namen seines Lieblingsschriftstellers: Gogol.

Es ist nicht nur dieser Namen, der dafür sorgt, dass Gogols Kindheit und Jugend nicht die glücklichsten sind. Seine Eltern sind aus Kalkutta eingewanderte Bengalen, die versuchen, möglichst viel ihrer mitgebrachten Kultur in den USA beizubehalten. Sie haben nahezu ausschließlich bengalische Freunde, feiern bengalische Feste, kochen bengalische Mahlzeiten usw. usf. Gogol und seine jüngere Schwester Sonia dagegen wachsen immer mehr in die US-amerikanische Gesellschaft hinein, je älter sie werden. Gogol wird seinen Eltern und deren Kultur immer fremder, bis eines Tages unvorhergesehen sein Vater Ashoke stirbt …

Jhumpa Lahiri (geb. 1967) ist eine amerikanische Autorin bengalischer Herkunft. Sie hat im Jahr 2000 mit ihrem ersten Buch »Melancholie der Ankunft« sogleich den renommierten Pulitzer-Preis gewonnen. Ihr erster Roman »Der Namensvetter« verarbeitet die persönlichen Erfahrungen zahlreicher bengalischer Einwanderer zu einer amüsanten und bewegenden Erzählung.

Jhumpa Lahiri: Der Namensvetter. Aus dem Amerikanischen v. Barbara Heller. btb Bd. 73638. ISBN: 978-3-442-73638-6.

Blindband

John Ryder ist ein junger Mann, der seine nervenaufreibende Arbeit als Börsenmakler hinter sich lassen will und deshalb eine ganz andere Tätigkeit sucht. Daher bewirbt er sich auf eine Anzeige des berühmten Schriftstellers Paul Reader, der einen Assistenten sucht. Als er in dem entlegenen Haus des Schriftstellers ankommt, erwartet ihn eine Überraschung: Paul Reader hat bei einem Unfall vor vier Jahren nicht nur entstellende Verbrennungen erlitten, sondern auch beide Augen verloren. Deshalb ist in den letzten Jahren auch kein Buch mehr von ihm erschienen. Aber nun hat er sich entschlossen, noch ein einziges weiteres Buch zu schreiben; es soll ein autobiografischer Roman werden, aber er braucht jemanden, dem er das Buch diktieren kann.

John Ryder erweist sich gleich beim ersten Gespräch als guter Kandidat; da er außerdem bereit ist, an fünf Tagen der Woche im Haus des Autors zu wohnen, versuchen es die beiden mit der Zusammenarbeit. Ryder macht sich schon bald nützlich: Er beschafft einen Laptop, tippt geduldig nach Diktat, kocht, wenn die Haushälterin ausfällt und hält den oft missgelaunten Schriftsteller bei Stimmung. Doch recht bald wird dem Leser klar, dass John Ryder mehr mit diesem Schriftsteller verbindet, als seine anscheinend harmlose Tätigkeit …

Gilbert Adair hat mit »Blindband« einen inhaltlich eher konventionellen Krimi geschrieben, dessen Reiz in der Hauptsache darin besteht, dass er nahezu ausschließlich als Dialog zwischen den beiden Hauptfiguren erzählt wird. So gerät der Leser von Beginn an in eine ganz ähnliche Situation wie der blinde Schriftsteller: Auch ihm fehlt der Überblick, und er muss ganz dem vertrauen, was er zu hören bekommt.

Gilbert Adair: Blindband. München: C.H. Beck, 2008. ISBN: 978-3-406-57225-8.

Deutsche Geschichte

Vor gut einem Jahr habe ich an dieser Stelle Herbert Rosendorfer, der diesen Monat seinen 75. Geburtstag gefeiert hat, als Romanautor vorgestellt. Von Hause aus Jurist hat sich Rosendorfer neben seiner Tätigkeit als Amtsrichter in München immer fleißig der Literatur gewidmet und so mit den Jahren ein umfangreiches erzählerisches Werk geschaffen. Nach seiner Pensionierung aber hat er sich einem großen Sachbuch-Projekt gewidmet: einer »Deutschen Geschichte«, geschrieben von einem Laien für Laien.

Derzeit liegen fünf Bände mit zusammen über 1.300 Seiten vor, die die deutsche Geschichte von ihren Anfängen bis ins 18. Jahrhundert hinein verfolgen. In seiner Darstellung betont Rosendorfer immer wieder, dass es ihm darum geht, die deutsche Geschichte zu »erzählen«, nicht wissenschaftlich aufzubreiten. Selbstverständlich bemüht er sich um die Korrektheit aller Fakten, aber er setzt überall seine eigenen Akzente, besteht auf seiner ganz individuellen Perspektive und bedient sich aller Mittel, seinen Stoff interessant und lebendig zu gestalten.

Dabei thematisiert er nicht nur Geschichte im engeren Sinne, sondern gibt zu jeder Epoche auch einen Überblick über die kulturelle Entwicklung, den Stand von Kunst und Wissenschaften und thematisiert von Anfang an immer auch das Schicksal der »kleinen Leute«, für die Leben in »historischer Zeit« zumeist Not, Elend und Leiden bedeutete.

Herbert Rosendorfers »Deutsche Geschichte« ist sowohl dem Umfang als auch der Lesbarkeit nach ganz einmalig in der deutschsprachigen Bücherlandschaft. Alle Bände liegen inzwischen mit leicht abgewandelter Aufteilung auch als Hörbücher vor.

Herbert Rosendorfer: Deutsche Geschichte. Dtv Taschenbücher, 5. Bde.

Into the Wild

Im September 1992 fanden einige Elch-Jäger in Alaska die Leiche eines jungen Mannes, der offensichtlich in der Wildnis verhungert war. Er war im April desselben Jahres in die Wildnis aufgebrochen, um sich seinen Traum vom freien Leben zu erfüllen. Er lebte im Wrack eines alten Busses, ernährte sich in der ersten Zeit von mitgebrachtem Reis, später dann von den Tieren und Pflanzen der Gegend. Es könnte sein, dass er sich dabei unabsichtlich vergiftet hat. Als er starb, war er nur 24 Jahre alt.

Als dem Schriftsteller und Bergsteiger Jon Krakauer diese Geschichte zu Ohren kam, beschloss er, ihr nachzugehen. Er fand heraus, dass der Tote, Christopher McCandless, aus Virginia stammte. Er hatte mit großem Erfolg sein Studium beendet, als er kurz nach der Abschlussfeier ohne irgendeine Nachricht an seine Familie verschwand. Christopher brach zu einer Reise ins Ungewisse auf. Oft hatte er nur wenig oder gar kein Geld, dann und wann nahm er eine Arbeit an; so war er etwa eine Zeit lang Erntehelfer in South Dakota. Er fuhr in einem Kanu den Colorado hinunter bis zum Golf von Mexiko, aber all das war für ihn immer nur eine Vorbereitung für sein eigentliches großes Abenteuer: Das Leben in Alaska, ganz auf sich selbst gestellt.

Jon Krakauer schrieb schließlich ein Buch über die Reise Christopher McCandless‘, das dem Schauspieler und Regisseur Sean Penn als Grundlage für einen beeindruckenden Spielfilm gedient hat. Mit dem jungen Schauspieler Emile Hirsch in der Hauptrolle entstand aus dieser wahren Begebenheit ein beeindruckendes und bewegendes Roadmovie.

»Into the Wild«. USA, 2007. DVD, Tobis. Sprachen: Deutsch, Englisch. Extras: Making-of; Interviews; Trailer. Länge: ca. 142 Minuten. FSK: ab 12 Jahren.

Holzfällen

Am 12. Februar vor 20 Jahren ist einer der einflussreichsten deutschsprachigen Autoren des 20. Jahrhunderts im Alter von nur 58 Jahren verstorben: Thomas Bernhard. Berühmt (und berüchtigt) ist er als Theaterautor geworden, der besonders in seiner langjährigen Zusammenarbeit mit dem Theaterregisseur und Chef des Wiener Burgtheaters Claus Peymann für manch außergewöhnlichen Theaterabend, aber auch für den einen oder anderen Skandal verantwortlich war. In seinem Testament verbot er schließlich die Aufführung seiner Stücke in Österreich, ein Verbot, das inzwischen von seinem Universalerben aufgehoben worden ist.

Wirklich einflussreich war Bernhard jedoch als Erzähler: Ohne dass sich von einer Bernhard-Schule sprechen ließe, kann man doch feststellen, dass eine bedeutende Anzahl junger Schriftsteller an Bernhards Prosa viel gelernt haben. Einige haben später zu einem eigenen Ton gefunden, andere sind im Epigonentum untergegangen.

Eine der bekanntesten Erzählungen Bernhards dürfte »Holzfällen« sein, das 1984 mit dem Untertitel »Eine Erregung« erschienen ist. Das Buch, das aus einem langen Monolog des Ich-Erzählers besteht, der eine kulturelle Abendgesellschaft bei einem Komponisten-Ehepaar durchleidet, sich aber erst spät entschließen kann zu gehen, hat bei seinem Erscheinen einen erheblichen Aufruhr ausgelöst, denn der mit Bernhard bekannte österreichische Komponist Gerhard Lampersberg sah sich und seine Frau in dem Buch boshaft karikiert. Zu dem drohenden Verbot des Buches ist es dann zum Glück nicht gekommen, und so ist uns Lesern diese herrliche, raunzende Erregung eines wirklichen Individualisten erhalten geblieben.

Thomas Bernhard: Holzfällen. Suhrkamp Taschenbuch 1523. ISBN: 978-3-518-38023-9.