Bram Stokers Dracula

Seit mehr als 100 Jahren spuken in immer neuen Variationen sich von Blut nÀhrende Untote durch die westliche Kultur. Der Vampir ist aber nicht nur eine Verkörperung menschlicher Todesangst, sondern auch eine Figur der Tragik: Dem ewigen Leben als Untoter ausgeliefert, sehnt er sich zugleich nach der WÀrme des Lebens, das er nur zu zerstören vermag, und nach der Ruhe des Grabes, die ihm verwehrt ist. Diese schlichte Ambivalenz des Mythos ermöglicht es, die Geschichte vom Vampir immer wieder neu zu erfinden.

Trotz der PopularitĂ€t des Stoffs dĂŒrften nur wenige den umfangreichen Roman Bram Stokers (1847–1912) kennen, der zum Vorbild aller Dracula-Geschichten wurde. ErzĂ€hlt wird die Geschichte des jungen Rechtsanwaltes Jonathan Harker, der von seiner Kanzlei nach Transilvanien geschickt wird, da Graf Dracula am Erwerb einiger Londoner HĂ€user interessiert ist. Auf dem einsam gelegenen Schloss des Grafen lebt Jonathan wie ein Gefangener und erkennt mehr und mehr die unmenschliche Natur seines Gastgebers. Als er endlich fliehen kann, ist der Graf bereits in London eingetroffen, wo er unter den weiblichen Bekannten Harkers beginnt, sein Unwesen zu treiben. Nur der Arzt und Spiritist van Helsing erkennt die Gefahr und beginnt eine Jagd auf das Ungeheuer …

Die Faszination des Romans entsteht in der Hauptsache aus seiner ErzĂ€hltechnik: Stoker erzĂ€hlt die Geschichte der Unheimlichen aus den wechselnden Perspektiven lauter vernĂŒnftiger und sittsamer englischer BĂŒrger, in deren Leben plötzlich IrrationalitĂ€t und Chaos einbrechen. Stokers Buch trifft damit auch heute noch den Nerv unseres Unbehagens in der gedeuteten Welt.

Bram Stoker: Dracula. Berlin: Insel, 2011. ISBN: 978-3-458-36215-9. Preis: € 7,95.

Sherlock Holmes

Als Arthur Conan Doyle 1887 seinen ersten Sherlock-Holmes-Roman »Eine Studie in Scharlachrot« veröffentlichte, ahnte er wohl kaum, dass er mit Holmes eines der wichtigsten Muster fĂŒr ein ganzes Literatur-Genre des 20. Jahrhunderts liefern wĂŒrde: den analytischen Detektiv.

Nun hat sich aufgrund der zahlreichen Verfilmungen der Holmes-ErzĂ€hlungen und -Romane bei den meisten Lesern ein typisches Bild des Londoner Privat-Ermittlers herausgebildet: Holmes als gediegene, etwas Ă€ltere Erscheinung, gekleidet in karierten Tweed, mit einer ebensolchen Jagdkappe und einer stets brennenden Pfeife. Der aufmerksame Leser der BĂŒcher weiß aber, dass es sich bei Holmes um einen durchaus sportlichen Mann handelt, der eine Neigung zum Drogenkonsum hat, das Geigenspiel mehr liebt als wirklich beherrscht und wohl eher als Außenseiter der guten Gesellschaft anzusehen ist. Auch von seinem Begleiter Dr. Watson haben die meisten eine recht falsche Vorstellung.

Schon von daher ist es sehenswert, wie der britische Regisseur Guy Ritchie die Holmes-Figur aufpoliert: Sein Holmes (Robert Downey jr.) ist schnell, athletisch, ein Faust-KĂ€mpfer von großem Geschick und zugleich ein GrenzgĂ€nger zwischen Genie und Wahnsinn. Und auch Dr. Watson (Jude Law) wird deutlich verjĂŒngt. In ihm erkennt man erstmals Doyles Afghanistan-Veteranen, der dabei ist, sich wieder in seiner Heimat zu etablieren. Ein flotter und witziger Film, der das London des spĂ€ten 19. Jahrhunderts noch einmal in all seiner ModernitĂ€t und Faszination erstehen lĂ€sst.

»Sherlock Holmes«. USA, 2009. 1 DVD, Warner Brothers. Sprache: Deutsch, Englisch. LĂ€nge: ca. 123 Minuten. Extras: »Der moderne Sherlock Holmes«. FSK: ab 12 Jahren. Preis: ca. € 6,–.