Montauk

Am 15. Mai jĂ€hrte sich der Geburtstag des Schweizer Autors Max Frisch zum 100. Mal. Zusammen mit seinem zehn Jahre jĂŒngeren Kollegen Friedrich DĂŒrrenmatt galt Frisch ab Mitte der 50er Jahre als Hauptvertreter einer kritischen und modernen Schweizer Literatur. Er wurde ab Mitte der 50-er Jahre zu einem der weltweit bekanntesten Vertreter deutschsprachiger Literatur. Mit seinem Roman »Homo Faber« aus dem Jahr 1957 ist er bis heute im Kanon der SchullektĂŒre vertreten.

Dabei hatte seine berufliche Laufbahn ganz anders begonnen: Nach dem unerwarteten Tod des Vaters brach er ein Germanistik-Studium ab und wandte sich der Architektur als Brotberuf zu. Als noch junger Architekt gewann er einen Wettbewerb um den Bau eines Freibades und machte sich daraufhin selbststĂ€ndig. Doch seine Liebe zur Literatur und zum Schreiben ließen ihn nicht los. Als er 1954 mit dem Roman »Stiller« einen europaweiten Erfolg hat, verkauft er seine Firma, um freier Schriftsteller zu werden.

Die umfangreiche ErzĂ€hlung »Montauk« (1975) hat ihren Namen von einem kleinen Ort an der nördlichen Spitze von Long Island. Dort machen der ErzĂ€hler, der unverkennbar autobiographische ZĂŒge seines Autors trĂ€gt, und seine deutlich jĂŒngere Geliebte Lynn – Frisch hatte ihr Vorbild im Mai 1974 anlĂ€sslich eines Interviews mit ihm kennengelernt – einen Wochenendurlaub. Diese verspĂ€tete und nicht einfache Liebe ist fĂŒr Max Frisch Anlass, sich noch einmal mit seinem Lebensweg, seiner Rolle als Mann und seinen Partnerinnen auseinanderzusetzen. Max Frisch wollte mit »Montauk« ein wahrhaftiges Buch schreiben; es ist zumindest sein persönlichsten geworden, weit entfernt von den manchmal waghalsigen Konstruktionen seiner frĂŒheren Romane.

Max Frisch: Montauk. Eine ErzĂ€hlung. Suhrkamp Taschenbuch 4237. ISBN: 978-3-518-46237-9. Preis: 7,95 €.

Die Wahlverwandtschaften

Eduard und Charlotte sind ein adeliges Ehepaar, das erst spĂ€t im Leben zueinander gefunden hat: Beide hatten sich zwar schon als junge Leute kennen und schĂ€tzen gelernt, aber erst nachdem sie in erster Ehe anderweitig verheiratet waren, erlauben es ihnen die UmstĂ€nde, einander zu heiraten. Nun leben sie zurĂŒckgezogen auf einem Landgut und genießen ihre Zweisamkeit. WĂ€hrend Eduard den Obst- und Blumengarten pflegt, gestaltet Charlotte den Park um, der zum Gut gehört.

Die ErzĂ€hlung setzt ein, als die traute Zweisamkeit der beiden gestört werden soll: Eduards Jugendfreund, ein Hauptmann mit breiten wissenschaftlichen und technischen Kenntnissen, der auf der Suche nach einer neuen BeschĂ€ftigung ist, soll zu Besuch kommen; und auch Charlotte wĂŒnscht sich, dass ihre Nichte Ottilie, die zusammen mit Charlottes Tochter in einer Pension erzogen wird, eine Zeit lang bei ihr leben soll.

Noch bevor Ottilie auf dem Gut eintrifft, erzĂ€hlt der Hauptmann von den chemischen Wahlverwandtschaften, also von chemischen Elementen, die, miteinander in Kontakt gebracht, sich aus ihrer alten Verbindung lösen und spontan neue Kombinationen bilden. So hat auch die Begegnung des Ehepaars Eduard und Charlotte mit dem Hauptmann und Ottilie gravierende Auswirkungen …

»Die Wahlverwandtschaften«, erschienen 1809, sind Goethes modernster und provozierendster Roman; die in ihm geĂ€ußerten Ansichten zur Ehe wurden von vielen Zeitgenossen als empörend und unmoralisch empfunden. Dieser Kritik stand schon zu Goethes Lebzeiten hohes Lob von Kollegen und Kritikern gegenĂŒber. Der Roman ist auch heute noch eine anregende LektĂŒre.

Johann Wolfgang von Goethe: Die Wahlverwandtschaften. Reclam UB 7835. ISBN: 978-3-15-007835-8. Preis: € 5,60.

Die Herzogin

Das Leben von Lady Georgiana, Herzogin von Devonshire (1757–1806) wartet eigentlich seit Langem auf seine Verfilmung. Aber erst die Biografie von Amanda Foreman (seit 2003 auch auf Deutsch) hat die Grundlage fĂŒr ein Drehbuch geliefert. Der Film beginnt mit dem Abschluss des Ehevertrages zwischen dem 5. Herzog von Devonshire (Ralph Fiennes) und den Eltern Georgianas. Die Hochzeit mit dem achteinhalb Jahre Ă€lteren Herzog findet am Vorabend von Georgianas (Keira Knightley) 17. Geburtstag statt. Der Herzog erwartet von seiner Gattin in der Hauptsache eines: die baldige Lieferung eines mĂ€nnlichen Erbfolgers; ansonsten ist er nur mĂ€ĂŸig an der hĂŒbschen und intelligenten jungen Frau interessiert.

Leider erweist sich die Natur vorerst als nicht kooperativ: Bei den beiden ersten Kindern des Ehepaars handelt es sich um MĂ€dchen, was das ohnehin kĂŒhle VerhĂ€ltnis zwischen den Eheleuten weiter belastet. Der Herzog sucht Trost in zahlreichen AffĂ€ren, wĂ€hrend Georgiana ein Star ihrer Zeit wird: Sie ist ein umschwĂ€rmter Gast aller BĂ€lle, ihre Kleider sind Vorbild der Mode von morgen, sie mischt in der Politik ihrer Zeit mit und ihr Haus ist einer der wichtigsten Treffpunkte der besseren Gesellschaft. Die Krise der Ehe spitzt sich zu, als beide Eheleute ernsthafte Liebesbeziehungen beginnen …

Der junge Regisseur Saul Dibb hat der Versuchung widerstanden, aus dem Stoff eine gefĂŒhlstriefende Romanze zu machen. Stattdessen liefert er ein prĂ€zises und differenziertes GeschichtsstĂŒck ab, in dem auf eine DĂ€monisierung der handelnden Personen glĂŒcklich verzichtet wird. Unbedingt sehenswert!

»Die Herzogin«. USA, 2008. 1 DVD, Kinowelt. Sprachen: Deutsch, Englisch. LĂ€nge: ca. 106 Minuten. Extras: Making-of, entfallene Szenen u.a. FSK: ab 12 Jahren. Preis: ca. € 10,–.