Als Jean-Marie Gustave Le ClĂ©zio im vergangenen Jahr den Nobelpreis fĂŒr Literatur zugesprochen bekam, gaben sich selbst fĂŒr ihre Belesenheit berĂŒhmte Kritiker ratlos und skeptisch. Dabei lagen Le ClĂ©zios Schriften in bedeutendem Umfang auf Deutsch vor, nur haben sie offenbar nicht die angemessene Beachtung gefunden.
Schon 2007 war zum Beispiel im Hanser Verlag ein schmales BĂ€ndchen erschienen, das einen Erinnerungstext Le ClĂ©zios an seinen Vater enthielt. Der schlichte Titel »Der Afrikaner« schickt den Leser wenigstens fĂŒr einen Augenblick in die Irre, denn es erweist sich, dass es sich bei dem Afrikaner eben um Le ClĂ©zios Vater handelt, einen Briten, der auf Mauritius geboren und aufgewachsen war und den GroĂteil seines Lebens als Arzt in Afrika verbracht hat. Er war als junger Mann nach Afrika gegangen, um der als snobistisch empfundenen englischen Gesellschaft zu entfliehen. Dann hatte ihn der Zweite Weltkrieg fĂŒr viele Jahre von seiner Frau und seinen beiden jungen Söhnen in Europa getrennt.
Als Le ClĂ©zio schlieĂlich als SiebenjĂ€hriger im Jahre 1948 seinen Vater kennenlernt, findet er in ihm einen autoritĂ€ren Patriarchen, den zu lieben der Junge nicht fĂ€hig ist. Erst als Erwachsener entwickelt er VerstĂ€ndnis und Sympathie fĂŒr diesen fremden Mann, den das Leben in Afrika verbraucht und fĂŒr immer gezeichnet hat. Als der Vater schlieĂlich nach Europa zurĂŒckkehrt, wechselt er nur von einer Isolation in die andere. Zu sehr ist er inzwischen ein Afrikaner geworden, um sich hier noch einfinden zu können.
Ein bewegendes kleines BĂŒchlein eines Sohns ĂŒber seinen Vater.
J. M. G. Le ClĂ©zio: Der Afrikaner. Aus dem Französischen von Uli Wittmann. MĂŒnchen: Hanser, ÂČ2008. ISBN: 978-3-446-20948-0. Preis: ⏠14,90.