Der Sängerkrieg der Heidehasen

Kennen Sie Obereidorf? Den bekannten Luftkurort im Reich der Heidehasen, in dem König Lamprecht VII. nach alter Väter Sitte herrscht? Einmal im Jahr steht Obereidorf im Zentrum der Aufmerksamkeit aller Heidehasen: Dort findet dann der berühmte Sängerkrieg statt. Und in diesem Jahr geht es nicht nur um die Ehre des besten Sängers, sondern auch um die Hand der schönen Prinzessin. Denn da Lamprecht VII. keinen Sohn hat, will es die Tradition, dass er seine Tochter mit dem besten Sänger des Reiches vermählt. Kein Wunder also, dass der Minister für Hasengesang und der Direktor des Hasen-Musikvereins ein Komplott schmieden: Gegen Zahlung von 100.000 Hasentalern will der Minister seinen Einfluss beim König zugunsten des Direktors verwenden, damit dieser Sieger wird.

Leider taucht aber unverhofft ein begabter Konkurrent auf: Der junge Hüpfer Lodengrün bewirbt sich um die Zulassung zum Sängerkrieg und stellt dabei seine famose Stimme unter Beweis. Minister und Direktor beschließen daher, dafür zu sorgen, dass er nicht rechtzeitig zum Sängerkrieg erscheinen wird. Aber wie so oft haben die Bösewichte ihre Rechnung ohne den Wirt gemacht …

Der Helgoländer James Krüss hat mit »Der Sängerkrieg der Heidehasen«, der 1958 zum ersten Mal auf Platte erschien, ein kleines, humoristisches Meisterstück geliefert. Zum Glück ist diese Produktion, die u. a. mit so brillanten Sprechern wie Charles Regnier, Franz Muxeneder, Klaus Havenstein und Marianne Brandt glänzt, wieder lieferbar. Ergänzt wird das Hörspiel durch ein Büchlein im Carlsen Verlag, das nicht nur von Ole Könnecke aufs Liebevollste illustriert wurde, sondern auch alle vorgetragenen Lieder mit Noten liefert.

James Krüss: Der Sängerkrieg der Heidehasen. Hamburg: HÖRCOMPANY, 2005. 1 CD, 33 Minuten Laufzeit. Preis: ca. € 14,00.

Der Zögling Törleß

Robert Musil (1880-1942), der durch seinen unvollendeten Roman »Der Mann ohne Eigenschaften« weltbekannt wurde, begann seine schriftstellerische Laufbahn 1906 mit dem kleinen Roman »Die Verwirrungen des Zöglings Törleß«. Das Buch spielt in einem Internat in der österreichischen Provinz. Schon die ersten Sätze des Buches machen klar, dass man hier am Ende der Welt angekommen ist:

Eine kleine Station an der Strecke, welche nach Rußland führt. Endlos gerade liefen vier parallele Eisenstränge nach beiden Seiten zwischen dem gelben Kies des breiten Fahrdammes …

Im Zentrum des Romans steht der 16-jährige Schüler Törleß, der durch eher zufällige Umstände in eine ihn zugleich faszinierende und bedrängende Lage gerät. Sein Mitschüler Basini ist von zwei andere Mitschülern, Reiting und Beineberg, beim Stehlen ertappt worden. Basini, dem bei Bekanntwerden des Diebstahls ein Schulverweis droht, lässt sich darauf ein, Reiting und Beineberg als »Diener« zur Verfügung zu stehen. Er sieht sich nun den Erniedrigungen durch seine Entdecker ausgesetzt, die deutlich sexuell motiviert sind und im Laufe der Zeit immer mehr an Grausamkeit zunehmen.

Törleß nimmt an diesen Quälereien selbst nicht aktiv teil, sondern erlebt sie als Zuschauer, der sich weder das Verhalten Basinis erklären kann, noch die Faszination begreift, die das ganze auf ihn selbst ausübt. Er ist auf diese Verwirrung seiner Gefühle nicht vorbereitet, findet keine Worte, die ihm helfen würden das Geschehen einzuordnen.

Der bekannte Schauspieler Ulrich Tukur hat im Hörverlag eine einfühlsame und nuancierte Lesung dieses kleinen psychologischen Meisterwerks vorgelegt.

Robert Musil: Die Verwirrungen des Zöglings Törleß. Gelesen von Ulrich Tukur. München: Der Hörverlag, 2005. 5 CDs mit zusammen ca. 350 Minuten Laufzeit. Ca. € 25,00.

Ilias

Am Anfang der westlichen Literaturtradition stehen zwei umfangreiche Epen, »Ilias« und »Odyssee«. Beide beschreiben Ereignisse, die historisch in das 12. oder 13. vorchristliche Jahrhundert gehören. Wir nehmen heute an, dass es den Trojanischen Krieg Homers nicht wirklich gegeben hat, sondern dass die Epen idealisierte Erzählungen vergangener Heldentaten darstellen, in etwa so, wie die Ritterromane der Romantik den Lesern ein idealisiertes Ritterwesen präsentierten. Auch daran, dass die beiden Epen tatsächlich von der Hand Homers stammen, wird seit langem mit gutem Grund gezweifelt: Zu uneinheitlich sind die Texte, zu verschieden ihre sprachlichen Stile und Dialekte.

Doch all das ändert nichts daran, dass beide Erzählungen immer noch die griechischen Klassiker schlechthin darstellen. Wer aber hat sie heute noch gelesen? Dass beide Epen nur noch so selten zur Hand genommen werden, liegt sicherlich auch daran, dass sie als schwierig und langatmig gelten, zudem noch in Versen geschrieben sind und von einer uns fremden Kultur erzählen. Bei solchen Texten hilft es sehr oft, sie sich vorlesen zu lassen, um einen lebendigen Einstieg für die eigene Lektüre zu finden.

Der Schauspieler Rolf Boysen präsentierte bei Lesungen im Münchner Residenztheater eine gekürzte Fassung der »Ilias«, also der Erzählung von Kampf der Griechen vor den Mauern Trojas, in der Übersetzung Wolfgang Schadewaldts. Boysens fulminante Stimmgewalt bringt den Text dabei so zum Klingen, dass sich beim Zuhörer unweigerlich die Faszination einstellt, die die »Ilias« auf Menschen aller Epochen immer wieder ausgeübt hat.

Homer: Ilias. Gelesen von Rolf Boysen. München: Der Hörverlag, 2004. 6 CDs mit zusammen ca. 462 Minuten Laufzeit. Ca. € 35,00.

Von Büchern und Menschen

Als Alfred Andersch im Juni 1955 beim Süddeutschen Rundfunk in Stuttgart zum verantwortlichen Redakteur unter anderem für das Nachtprogramm wurde, hatte er sich schon einige Jahre lang für seinen Altersgenossen Arno Schmidt (1914-1979) aktiv eingesetzt. Nun hatte Andersch endlich die Möglichkeit, Schmidt lukrative Aufträge zukommen zu lassen. Schmidt lebte damals noch in finanziell recht bedrängten Verhältnissen, denn seine Bücher verkauften sich nur schleppend und als Zubrot musste er englische Romane übersetzen.

Andersch erfand damals die Form des ›Radio-Essays‹, etwa einstündige, literarisch geprägte Funksendungen, die sich im Dialog zweier Sprecher intensiv eines Themas annahmen. Und so entstanden mit den Jahren auch zahlreiche Rundfunksendungen aus der Feder Arno Schmidts. Das Osnabrücker Musik- und Hörbuch-Label cpo hat vor einiger Zeit in Zusammenarbeit mit dem SWR eine Auswahl dieser Radio-Essays auf CD wieder zugänglich gemacht.

Natürlich werden dabei einige von Schmidts Hausheiligen abgehandelt, so etwa Karl May, Ludwig Tieck oder James Joyce. Aber es gibt auch echte Entdeckungen zu machen, wenn Schmidt zum Beispiel die Lyrik des spätbarocken Dichters Barthold Heinrich Brockes wegen ihrer Naturnähe und genauen Beobachtung lobt oder eine Einführung in die imaginären Welten gibt, in die sich die Geschwister Brontë miteinander geflüchtet haben und die damals in Deutschland noch praktisch unbekannt waren.

Inzwischen ist der ersten eine zweite Auswahl gefolgt, was für die fortbestehende Aktualität und Attraktivität dieser Rundfunk-Perlen der 50-er und 60-er Jahre spricht.

Arno Schmidt: Nachrichten von Büchern und Menschen. Elf originale Radio-Essays. Osnabrück: cpo, 2003. 12 CDs mit zusammen ca. 750 Minuten Laufzeit. € 39,99.

Vom großen weißen Wal

Als 1851 Herman Melvilles Meisterwerk „Moby-Dick“ zuerst in London und einen Monat später auch in New York erschien, war er sowohl bei Kritikern als auch beim Publikum ein beinahe vollständiger Misserfolg. Zwar gab es in England einige wenige wenigstens nicht unfreundliche Kritiken, aber die Verkaufszahlen waren katastrophal. Während der vierzig Jahre, die Melville noch erlebte, wurden überhaupt nur 3.000 Exemplare des Buches verkauft.

Erst in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden Melville und sein „Moby-Dick“ von einer Gruppe New Yorker Kritiker wiederentdeckt. Seitdem gilt das Buch als einer der Klassiker der amerikanischen Literatur. Auch die zahlreichen Übersetzungen und „Bearbeitungen für die heranwachsende Jugend“, die es im Deutschen gibt, machen den Rang deutlich, den das Buch inzwischen erworben hat.

In den letzten Jahren sind nun gleich zwei neue Übersetzungen des „Moby-Dick“ erschienen. Der einen – von Matthias Jendis bei Hanser – liegt die andere von Friedhelm Rathjen bei Zweitausendeins zugrunde. Wie es dazu kam, ist eine zu lange Geschichte, um sie hier zu erzählen. Wichtig ist nur, dass die Übersetzung von Friedhelm Rathjen diejenige ist, die dem Melvilleschen Original am nächsten kommt.

Nun ist es nicht jedermanns Sache, sich durch 800 Seiten zum Teil sehr anspruchsvollen Text zu arbeiten. Zum Glück gibt es aber eine vollständige Hörbuch-Fassung der Rathjenschen Übersetzung, die einer der besten deutschen Sprecher, Christian Brückner, eingespielt hat. Sie umfasst ca. 30 Stunden auf zwei mp3-CDs, bereit zur Nutzung auf einem mp3-Player oder am Computer problemlos auf normale CDs übertragbar.

Herman Melville: Moby-Dick; oder: Der Wal. Deutsch von Friedhelm Rathjen. Gelesen von Christian Brückner. Zweitausendeins, 2006. Preis: € 39,90.