Die Rückseite des Hakenkreuzes

Alle Menschen sollte man – nur um einen Vorschlag zu machen – mit der Hinteransicht einer Tribüne vertraut machen, bevor man sie vor Tribünen versammelt. Wer jemals eine Tribüne von hinten anschaute, recht anschaute, wird von Stund an gezeichnet und somit gegen jegliche Zauberei, die in dieser oder jener Form auf Tribünen zelebriert wird, gefeit sein.

Das schrieb Günter Grass, der nach eigenem Bekenntnis als junger Mann selbst zu den Verführten des Dritten Reiches gehörte.

Im Sinne dieses Gegensatzes hat Helmut Heiber für sein Buch »Die Rückseite des Hakenkreuzes« in jahrzehntelanger Archivarbeit eine Sammlung von Aktenauszügen erstellt, die eine solche »Hinteransicht« zu den Haupt- und Staatsaktionen des Nazi-Staates liefert. Dabei geht es oft nur um Kleinigkeiten, die für sich genommen unwichtig erscheinen, aber durch den Umfang dieser Sammlung an Bedeutung gewinnen und deutlich machen, welchem Kontrollwahn die Herrschaftselite des Dritten Reiches unterlag. Zur Illustration sei nur ein Beispiel von unzähligen angeführt: Da beschließt die Deutsche Gesellschaft für Säugetierkunde im Jahr 1942 auf ihrer Hauptversammlung, den zoologisch irreführenden Namen »Fledermaus« in »Fleder« zu ändern. Auf eine entsprechende Zeitungsmeldung hin ergeht der Führerbefehl, dies »umgehend rückgängig zu machen. Wenn die Mitglieder der Gesellschaft für Säugetierkunde nichts Kriegswichtigeres und Klügeres zu tun hätten, dann könnte man sie vielleicht einmal längere Zeit in Baubataillonen an der russischen Front verwenden.«

Ein historisches Lesebuch, bei dem man aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr herauskommt!

Die Rückseite des Hakenkreuzes. Absonderliches aus den Akten des »Dritten Reiches«. Hg. v. Beatrice u. Helmut Heiber. Wiesbaden: Matrix Verlag, 2005. ISBN: 978-3-86539-033-2. Preis: € 9,95.