Die Einsamkeit der Primzahlen

Alice hasst es, früh aufstehen und an einem Skikurs teilnehmen zu müssen, zu dem ihr Vater sie angemeldet hat. Und als ihr dann auf dem Berg auch noch ein kleines Malheur passiert, trennt sie sich von der Gruppe, um allein ins Tal abzufahren. Es kommt, wie es kommen muss: Sie verunglückt und behält von dem Unfall eine Behinderung zurück. Und als sei das nicht schlimm genug, wird sie auch noch magersüchtig.

Mattia ist ein Zwilling, doch er und seine Schwester sind ein höchst ungleiches Paar: Während er hochbegabt ist, bleibt seine lernbehinderte Schwester Michela immer mehr zurück. Mattia ist ein Außenseiter, nicht nur wegen seiner guten Noten, sondern auch, weil er wegen seiner Schwester gehänselt wird. Als er eines Tages dennoch zu einem Kindergeburtstag eingeladen wird, lässt er auf dem Weg dorthin seine ihm peinliche Schwester in einem Park zurück; als er von der Feier zurückkommt, ist Michela spurlos verschwunden.

Als sich Alice und Mattia auf dem Gymnasium kennenlernen, schließen sie bald Freundschaft miteinander. Beide empfinden mehr füreinander, aber keiner wagt es, einen Schritt über ihre Freundschaft hinaus zu tun. Mattia studiert mit großem Erfolg Mathematik, Alice wird Fotografin. Als Mattia sein Studium abgeschlossen hat, bekommt er die Chance, an eine Uni in den USA zu wechseln. Genau zu dieser Zeit lernt Alice einen jungen Arzt kennen, der sie heiraten will. Doch ist damit die Geschichte von Alice und Mattia noch nicht an ihrem Ende angekommen …

Der junge italienischen Autor Paolo Giordano hat mit » Die Einsamkeit der Primzahlen« ein höchst erfolgreiches Romandebut vorgelegt.

Paolo Giordano: Die Einsamkeit der Primzahlen. Aus dem Italienischen von Bruno Genzler. Heyne Taschenbuch 40801. ISBN: 978-3-453-40801-2. Preis: € 8,99.

Schuld

Der Jurist Ferdinand von Schirach (geb. 1964) hatte im vergangenen Jahr mit seinem ersten Band von Erzählungen, »Verbrechen«, einen unerwarteten Bestseller-Erfolg. Autor und Verlag haben daher in diesem Jahr eine Fortsetzung erscheinen lassen, die es auch wieder bis auf die Bestsellerlisten geschafft hat. Nach dem bewährten Muster erzählt von Schirach Fälle aus seiner juristischen Praxis nach, tragische, komische, absurde und dann und wann auch einen, der gerecht endet.

Da ist zum Beispiel die Geschichte von Alexandra, die als junge Frau vom Land in die Stadt zieht und sich in den Verkäufer ihres ersten Autos verliebt. Es dauert zwei Jahre, bis die beiden heiraten, und erst als Alexandra mit einem Mädchen schwanger ist, wird ihr Mann ihr gegenüber zum ersten Mal gewalttätig. Was zuerst als ein Ausrutscher unter Alkoholeinfluss erscheint, wird mit den Jahren zu einer systematischen Folter. Als ihr Mann ihr schließlich ankündigt, er werde nun auch noch die gemeinsame Tochter missbrauchen, wird er im Schlaf mit einem schweren Gegenstand erschlagen. Als Täterin kommt offensichtlich nur Alexandra in Frage, die die Tat auch nicht abstreitet. Der medizinische Bericht ihrer Verletzung ist vierzehn Seiten lang und dokumentiert, dass sie von ihrem Mann beinahe totgeschlagen worden wäre. Dennoch hat die Staatsanwaltschaft keine andere Wahl, als sie des Mordes anzuklagen, denn die Tötung eines schlafenden Menschen erfüllt den Tatbestand der Heimtücke. Und auch der Richter hat eigentlich keine Alternative dazu, sie zu lebenslanger Haft zu verurteilen. Die Verhandlung des Falles dauert nur zwei Tage und endet mit einem überraschenden Urteil …

Ferdinand von Schirach: Schuld. Stories. München: Piper, 2010. ISBN: 978-3-492-05422-5. Preis: € 17,95.

Die Ermittlung

Am 20. Dezember 1963 wurde das Hauptverfahren im 1. Frankfurter Auschwitz-Prozess eröffnet. Noch vor dem Prozessende am 20. August 1965 informierte der Suhrkamp Verlag in einem Rundschreiben darüber, dass er das den Prozess dokumentierende Theaterstück »Die Ermittlung« von Peter Weiss zu einer »allgemeinen Uraufführung am 19. Oktober« freigebe. So entstand die sogenannte Ringuraufführung an insgesamt 15 Theatern in der BRD (4 Bühnen) und der DDR (11 Bühnen). Eine dieser Aufführungen war eine szenische Lesung der ostdeutschen Akademie der Künste im Saal der DDR-Volkskammer in Berlin. Diese Lesung unter Beteiligung beträchtlicher DDR-Prominenz hat sowohl in der DDR als auch in der BRD große Resonanz erzeugt.

Die Bundeszentrale für politische Bildung hat nun in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Rundfunkarchiv Potsdam und der Akademie der Künste Berlin eine Doppel-DVD herausgebracht: Eine DVD-ROM enthält eine ausführliche Dokumentation (Texte, Hör- und Video-Dokumente) zur Entstehung des Stückes und der szenischen Lesung in der Volkskammer, des gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Umfelds sowie der Debatten vor und nach den Aufführungen sowohl im Osten als auch im Westen. Eine Video-DVD präsentiert die komplette Lesung in der Volkskammer. Die Qualität des Videos entspricht natürlich nicht heutigen Ansprüchen an eine Fernsehübertragung, ist aber für den dokumentarischen Zweck völlig ausreichend. Die Bundeszentrale für politische Bildung liefert die beiden DVDs zum Preis von nur 6,- € ins Haus.

»Auschwitz auf der Bühne«. Peter Weiss: »Die Ermittlung« in Ost und West. Hg. v. der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) in Kooperation mit dem Deutschen Rundfunkarchiv Potsdam und der Akademie der Künste Berlin. 2 DVDs.