Im Jahr 1964 kündigte der Schriftsteller Arno Schmidt (1914–1979) sein nächstes Buch in seiner eigenwilligen Rechtschreibung wie folgt an: »Ich werde mich in meine großen, nunmehr brechend=follen Zettelkästen zurückziehen; und daraus, binnen Jahresfrist, mit einem 1000=Seiten=Text auftauchen, dergleichen man zwischen den vier Ekken eines Buches bisher noch nicht erblickt hat.« Es hat dann doch erheblich länger als ein Jahr gedauert, aber herausgekommen ist tatsächlich ein Buch, wie man es zuvor noch nie erblickt hatte. Als »Zettel’s Traum« 1970 erschien, war es die Sensation auf dem Buchmarkt: Es wog fast 10 kg und hatte über 1330 Seiten im DIN-A3-Format, die nicht einen gesetzten Text präsentierten, sondern eine photomechanische Wiedergabe des Typoskriptes des Autors mit seinen handschriftlichen Korrekturen, Ergänzungen und Streichungen. Die Textmenge entspricht ungefähr 4.000 normalen Buchseiten, und um die Skurrilität auf die Spitze zu treiben, umfasst die Handlung nur einen einzigen Hochsommertag der späten 60er Jahre in der Lüneburger Heide. Hinzu kam, dass Schmidt sich aufgrund seiner psychoanalytischen Sprachtheorie nicht an die Duden-Rechtschreibung gehalten hatte. Und obwohl das Buch den damals astronomischen Preis von 295 DM kostete, waren alle 2.000 Exemplare der ersten Auflage bereits bei Auslieferung verkauft.
Nun erscheint in diesen Tagen »Zettel’s Traum« erneut, diesmal im ordentlichen Buchsatz auf über 1.500 Seiten. Mit dieser Neuausgabe wird einer der umfangreichsten und originellsten Romane der deutschen Literatur wiederentdeckt.
Arno Schmidt: Zettel’s Traum. Studienausgabe in 4 Bänden. Berlin: Suhrkamp, 2010. ISBN: 978-3-518-80300-4. Preis: € 198,–. Die ursprüngliche Typoskriptausgabe kann in der Stadtbibliothek Solingen über die Bergisch-Bib entliehen werden.