Nachtwachen von Bonaventura

Im Jahr 1804 erschien unter dem Pseudonym Bonaventura ein Büchlein, dessen Autor für mehr als 180 eines der großen Rätsel der Germanistik blieb. Allerdings wurden die »Nachtwachen« von den Zeitgenossen wenig beachtet. Erst 1870 erklärte der Philosoph Rudolf Haym in seinem Buch »Die romantische Schule« die »Nachtwachen« gehörten »ohne Zweifel zu den geistreichsten Produktionen der Romantik«. Wer allerdings der Autor sei, konnte auch Haym nicht sagen. Unter Verdacht stand zwar der Philosoph Schelling, der nachweislich einige Gedichte unter dem Pseudonym Bonaventura veröffentlicht hatte, aber sehr bald wurden zahlreiche andere Kandidaten diskutiert, darunter auch Berühmtheiten wie Clemens Brentano, Achim von Arnim oder E.T.A. Hoffmann. Erst 1987 konnte durch den Fund einer Handschrift mit einiger Sicherheit der Autor ermittelt werden: August Klingemann (1777–1831), ein sonst vergessener Dramatiker der Romantik, der sich nie öffentlich zu seinem wichtigsten Werk bekannt hat.

Erzählt wird in 16 Nachtwachen die Geschichte des Nachtwächters Kreuzgang, der als Verrückter gilt und dem man, um ihn zu versorgen, auf den Posten des Nachtwächters abgeschoben hat. Kreuzgang ist ein Findelkind (benannt nach dem Fundort) und kommentiert die gutbürgerliche Gesellschaft aus der Sicht des ewigen Außenseiters. Besonders die Kirche und ihre Würdenträger, aber auch die Mächtigen, selbstgerechte Beamte und behäbige Bürger bekommen ihr Fett weg. Der Text ist ein Gemisch aus Monolog, Erzählungen, Reden, Reflexionen und lyrischen Passagen und widersetzt sich auch auf diese Weise einer glatten Einordnung. Es handelt sich immer noch um einen echten, mehr als 200 Jahre alten Geheimtipp.

Nachtwachen von Bonaventura. Reclam UB 8926. ISBN: 978-3-15-008926-2. Preis: € 5,00. Dieser Titel kann in der Stadtbibliothek Solingen über die Bergisch-Bib entliehen werden.