Im November 1947 kehrte Bertolt Brecht fluchtartig aus den USA nach Europa zurück, nachdem er am 30. Oktober vom »Komitee für unamerikanische Umtriebe« verhört worden war. Brecht konnte nur in die Schweiz gehen, da dies das einzige europäische Land war, das dem Staatenlosen den Aufenthalt gestattete. So reiste er über Paris nach Zürich, wo er unmittelbar nach seiner Ankunft Kontakte zum Schauspielhaus knüpfte und sich über Arbeitsmöglichkeiten informierte. Natürlich bemüht er sich vor dort aus auch darum, wieder nach Deutschland zurückkehren zu können, aber diese Aussichten entwickelten sich etwas langsamer. Dennoch erschien schon im Januar 1949 in Berlin Brechts erste Nachkriegsveröffentlichung: »Kalendergeschichten« im Verlag Gebrüder Weiß, der seinen Sitz im Stadtteil Schöneberg hatte. Der Band enthält eine Mischung von Gedichten und Prosa, darunter auch die ersten 39 Keuner-Geschichten.
Seitdem gehören die »Geschichten vom Herrn Keuner« sicherlich zu Brechts bekanntesten und beliebtesten Prosatexten überhaupt. Ihre kurzen, prägnanten Fabeln, die überraschenden, oft dialektischen Pointen, denen man es nicht übel nimmt, dass sie einen offensichtlich zum Nachdenken zwingen wollen, machen ihren Reiz aus:
Ein Mann, der Herrn K. lange nicht gesehen hatte, begrüßte ihn mit den Worten: »Sie haben sich gar nicht verändert.« »Oh!« sagte Herr K. und erbleichte.
Die Stadtbibliothek Solingen hat neben den »Kalendergeschichten« auch eine CD mit einer Lesung der »Geschichten vom Herrn Keuner« durch Manfred Krug im Bestand.
Bert Brecht: Geschichten vom Herrn Keuner. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 2006. ISBN: 978-3-518-36516-8. Preis: € 6,00.