Als Alfred Andersch im Juni 1955 beim Süddeutschen Rundfunk in Stuttgart zum verantwortlichen Redakteur unter anderem für das Nachtprogramm wurde, hatte er sich schon einige Jahre lang für seinen Altersgenossen Arno Schmidt (1914-1979) aktiv eingesetzt. Nun hatte Andersch endlich die Möglichkeit, Schmidt lukrative Aufträge zukommen zu lassen. Schmidt lebte damals noch in finanziell recht bedrängten Verhältnissen, denn seine Bücher verkauften sich nur schleppend und als Zubrot musste er englische Romane übersetzen.
Andersch erfand damals die Form des ›Radio-Essays‹, etwa einstündige, literarisch geprägte Funksendungen, die sich im Dialog zweier Sprecher intensiv eines Themas annahmen. Und so entstanden mit den Jahren auch zahlreiche Rundfunksendungen aus der Feder Arno Schmidts. Das Osnabrücker Musik- und Hörbuch-Label cpo hat vor einiger Zeit in Zusammenarbeit mit dem SWR eine Auswahl dieser Radio-Essays auf CD wieder zugänglich gemacht.
Natürlich werden dabei einige von Schmidts Hausheiligen abgehandelt, so etwa Karl May, Ludwig Tieck oder James Joyce. Aber es gibt auch echte Entdeckungen zu machen, wenn Schmidt zum Beispiel die Lyrik des spätbarocken Dichters Barthold Heinrich Brockes wegen ihrer Naturnähe und genauen Beobachtung lobt oder eine Einführung in die imaginären Welten gibt, in die sich die Geschwister Brontë miteinander geflüchtet haben und die damals in Deutschland noch praktisch unbekannt waren.
Inzwischen ist der ersten eine zweite Auswahl gefolgt, was für die fortbestehende Aktualität und Attraktivität dieser Rundfunk-Perlen der 50-er und 60-er Jahre spricht.
Arno Schmidt: Nachrichten von Büchern und Menschen. Elf originale Radio-Essays. Osnabrück: cpo, 2003. 12 CDs mit zusammen ca. 750 Minuten Laufzeit. € 39,99.