Normalerweise nehmen nur wenige Leser den Namen des Übersetzers eines Buches mehr als flüchtig zur Kenntnis. Und so verwundert es nicht, dass es nur wenigen Übersetzern gelingt, aus dem Schatten des übersetzten Autors herauszutreten. Einer dieser wenigen war zweifelsohne Hans Wollschläger, der am 17. März vor 75 Jahren in Minden geboren wurde. Er entstammte einem Pastorenhaushalt und zeigte schon früh hohe sprachliche und musikalische Begabungen. Nach einem Musikstudium wird er aber nicht Musiker, sondern wendet sich der Literatur zu. Er schreibt an einem Roman, verfasst eine Karl-May-Biografie, übersetzt zusammen mit Arno Schmidt das Werk Edgar Allan Poes und erhält schließlich vom Suhrkamp Verlag den Auftrag, den »Ulysses« von James Joyce neu zu übersetzen. Diese Übersetzung ist es, die ihn berühmt macht.
Wollschläger kann den Jahrhundertroman mit großer Sorgfalt und in einem angemessenen Tempo übersetzen, da ihm der Verleger Siegfried Unseld den entsprechenden Freiraum einräumt. So entsteht in vierjähriger Arbeit ein Sprachkunstwerk, das neben dem Original bestehen kann. Insbesondere die Übersetzung des schwierigen Kapitels »Oxen of the Sun« ruft bei Kritik und Lesern Erstaunen und Bewunderung hervor: Der Vorlage folgend bildet Wollschläger in diesem Kapitel die gesamte Entwicklung der deutschen Sprache von den althochdeutschen Anfängen bis zum Kneipendialekt unserer Tage nach.
Als Autor hat Hans Wollschläger nur selten ein größeres Publikum erreichen können, doch seine »Ulysses«-Übersetzung wird wohl noch für einige Generationen von Lesern grundlegend bleiben.
James Joyce: Ulysses. Aus dem Englischen übersetzt von Hans Wollschläger. Suhrkamp Taschenbuch 3816. ISBN: 978-3-518-45816-7. Preis: € 12,50.