Robert Gernhardt (1937–2006) war einer der bedeutendsten deutschsprachigen humoristischen Schriftsteller. Da er nicht nur dichterisch, sondern auch zeichnerisch begabt war, ist es ihm gelungen, auf seine ganz eigene, originelle Art an die Tradition Wilhelm Buschs anzuknüpfen und die Kombination aus humoristischem Vers und Bild zu immer neue Höhepunkten zu bringen. Aber Gernhardt hat nicht nur selbst komische Gedichte geschrieben, er hat auch zusammen mit Klaus Cäsar Zehrer eine der schönsten Sammlungen komischer deutschsprachiger Gedichte herausgeben.
Die Sammlung umfasst 555 Gedichte aus fünf Jahrhunderten und präsentiert alle Spielarten von der reinen Sprachspielerei über Blödeleien und Parodien bis hin zum Gedicht der echten Hochkomik. Natürlich finden sich auch zahlreiche Klassiker der komischen Lyrik, etwa Heinz Erhardts »Made mit dem Kinde«, Loriots »Advent« oder der beinahe schon komplett in den Volksmund übergegangene »Bumerang« von Joachim Ringelnatz. Aber zum ganz überwiegenden Teil lassen sich echte Entdeckungen machen, darunter auch Fälle unfreiwilligen Humors. So dichtete etwa der Hamburger Stadtrat Barthold Hinrichs Brockes in der ersten Hälfte der 18. Jahrhunderts das folgende »Augen-Lied«:
Hüben sich die Augen-Lieder
Durch die Muskeln selbst nicht auf,
Sondern sünken immer wieder,
(Ach man achte doch darauf!)
Wie erbärmlich würd’ es lassen,
Wenn man sie mit Händen fassen,
Und erst aufwärts schieben müsst’!
Merks, verstockter Atheist!
Robert Gernhardt / Klaus Cäsar Zehrer (Hg.): Hell und Schnell. 555 komische Gedichte aus 5 Jahrhunderten. Fischer Taschenbücher Bd.15934. ISBN: 978-3-596-15934-5. Preis: € 15,00.