Daniil Charms (1905-1942), bürgerlich Daniil Iwanowitsch Juwatschow, hatte ein kurzes und entbehrungsreiches Leben. Er wurde in der Sowjetunion die meiste Zeit seines Lebens politisch verfolgt und konnte sich und seine Familie nur kümmerlich durch die Veröffentlichung von Kinderbüchern und -gedichten ernähren. Er verhungerte schließlich während der Belagerung Leningrads durch die deutsche Wehrmacht als politischer Insasse der Gefängnispsychiatrie. Sein eigentliches Werk wurde erst Jahrzehnte nach seinem Tod aus dem Nachlass heraus entdeckt.
Wäre Charms ein westeuropäischer Autor gewesen, hätte man sein Werk ohne weiteres dem Dadaismus zugeordnet. Mit dieser antibürgerlichen Bewegung der Zeit zwischen den Weltkriegen teilt Charms das Vergnügen an Unsinn und Absurditäten, am Spiel mit der Sprache und an der Provokation um der Provokation willen.
»Zwischenfälle« versammelt zahlreiche kurze Prosastücke. Einiges kommt als Theaterszene daher, anderes gibt vor, eine Anekdote zu sein, doch alle Stücke laufen stets den Erwartungen zuwider, die man als Leser gewöhnlich mitbringt. Um sich zum Bespiel über die oft gedankenlose öffentliche Verherrlichung Puschkins lustig zu machen, erfindet Charms einfach einige Puschkin-Anekdoten, darunter auch diese:
Puschkin warf gern mit Steinen. Sowie er irgendwo Steine sah, legte er damit los. Manchmal geriet er derart in Fahrt, dass er dastand, rot angelaufen, die Arme schwenkte und mit Steinen warf, einfach schlimm!
Nur für Leser mit Sinn für Unsinn geeignet, für die aber ein absolutes Muss.
Daniil Charms: Zwischenfälle. Aus dem Russischen von Ilse Tschörtner. Sammlung Luchterhand 2049. ISBN: 978-3-630-62049-7. Preis: € 11,00.