Briony Tallis ist ein 13-jähriges, phantasievolles und leicht überspanntes Mädchen, das gerne Schriftstellerin werden möchte. Gerade erst hat sie ein kleines Theaterstück fertiggestellt. Da beobachtet sie an einem Vormittag im Sommer 1935 von ihrem Fenster aus eine seltsame Szene zwischen ihrer zehn Jahre älteren Schwester Cecilia und dem Ziehsohn des Hauses, Robbie Turner. Sie reimt sich zwar etwas zusammen, begreift aber nicht wirklich, was zwischen den beiden vorfällt. Dann spielt ihr der Zufall einen diskreten Brief Robbies an Cecilia in die Hand, und noch später am selben Tag überrascht sie die beiden in einer sehr intimen Situation in der Bibliothek des Hauses. All dies verdichtet sich in ihr zu der Vorstellung, Robbie sei ein »Psychopath«. Als sich die Dramatik des Tages darin zuspitzt, dass ihre nur wenig ältere Kusine Lola im nächtlichen Garten überfallen und vergewaltigt wird, ist Briony der festen Überzeugung, dass Robbie der Täter sein müsse. Und so behauptet sie, ihn am Tatort erkannt zu haben.
Ihre Zeugenaussage ruiniert nicht nur Robbies Leben, der für dreieinhalb Jahre ins Gefängnis kommt und auch dann nur entlassen wird, weil er sich freiwillig zum Militärdienst meldet, sondern auch das ihrer Schwester, die sich von ihrer Familie abwendet, und beinahe auch ihr eigenes. Als sie sich endlich entschließt, ihren Fehler einzugestehen, ist es vielleicht schon zu spät …
Ian McEwan hat mit diesem mehrfach preisgekrönten Roman ein psychologisches Meisterwerk geschrieben. Besonders die Entwicklung von Brionys Missverständnis ist von beispielloser Eindringlichkeit und Klarheit.
Ian McEwan: Abbitte. SPIEGEL Edition Bd. 9. ISBN: 978-3-87763-009-9. Preis: € 9,90.