Kann man über eine Großstadt eine »Biografie« schreiben? – Peter Ackroyd, auf dessen Shakespeare-Buch ich hier vor einiger Zeit schon hingewiesen habe, liefert jedenfalls auf knapp 800 großformatigen Seiten (16,5×24 cm) eine umfassende Geschichte der Stadt London von den Anfängen in vorgeschichtlicher Zeit bis zum Ausgang des 20. Jahrhunderts. Er weist dabei zu Recht darauf hin, dass schon vor ihm zahlreiche Schriftsteller London als ein Lebewesen behandelt und die Stadt immer erneut als aufgedunsenen, wassersüchtigen und gefräßigen Riesen beschrieben haben.
Und so verfasst Ackroyd denn auch keine Stadtgeschichte im historischen Sinne. Ihm geht es weniger um Jahreszahlen – die bei ihm am Rande natürlich auch vorkommen –, sondern mehr um die kulturellen und sozialen Entwicklungen, die die Stadt und ihre Bewohner geprägt haben. Er erzählt von den Krisen im Aufstieg der Stadt, von Feuersbrünsten und Pest, die die Bevölkerung immer erneut haben zusammenschrumpfen lassen. Und doch war der Aufstieg Londons zum Zentrum einer Weltmacht nicht aufzuhalten. Als das britische Empire Mitte des 19. Jahrhunderts den Gipfel seiner Macht erreicht hatte, war London zugleich die größte Stadt der westlichen Hemisphäre. Sie war nicht nur Schauplatz für überwältigende Pracht und unglaublichen Reichtum, sondern ebenso ein Ort unvorstellbarer Armut und unsäglichen Elends. Und auch die Schrecken des Zweiten Weltkriegs und die Neugestaltung Londons in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts lässt Ackroyd nicht ungeschildert.
Trotz des Umfangs ist das Buch nirgends langatmig, da Ackroyd immer lebendig und konkret erzählt. Ein Buch sowohl zur genüsslichen Lektüre als auch zum entdeckenden Stöbern.
Peter Ackroyd: London. Die Biographie. München: Knaus, 2002. ISBN-13: 978-3-8135-0290-9. Preis: € 25,00.