Ein unvollendetes Leben

Seit Lasse Hallström 1993 mit seinem Film »Gilbert Grape« den Sprung in die USA geschafft hat, entstehen unter seiner Leitung regelmäßig cineastische Perlen: »Gottes Werk und Teufels Beitrag« (1999), »Chocolat« (2000) und »Schiffsmeldungen« (2001) seien nur als Beispiele genannt. »An Unfinished Life« (2005), den der deutsche Verleih leider etwas ungeschickt »Ein ungezähmtes Leben« betitelt hat, setzt diese Reihe nahtlos fort.

Erzählt wird die Geschichte Einar Gilkysons (Robert Redford), eines Farmers in Wyoming, der vor mehr als zehn Jahren seinen Sohn durch einen Autounfall verloren hat. Er ist über diesen Verlust nie hinweggekommen und lebt seitdem beinahe als Einsiedler: Nur sein alter Freund und Mitarbeiter Mitch Bradley (Morgan Freeman), der sich nach einem Angriff durch einen Bären nur noch unter Schmerzen und auf Krücken fortbewegen kann, haust mit auf der Farm.

Da taucht eines Tages Einars Schwiegertochter Jean (Jennifer Lopez) auf, und sie bringt ihre Tochter Griff (Becca Gardner) mit, Einars Enkelin, von der er bislang nichts wusste. Jean ist auf der Flucht vor ihrem Lebenspartner, einem gewalttätigen Mann, der sie und ihre Tochter geschlagen hat. Einar und Jean haben einander seit der Beerdigung von Einars Sohn nicht mehr gesehen, denn Einar macht Jean für den Tod seines Sohnes verantwortlich. Dennoch erlaubt er den beiden, für einige Wochen auf der Farm zu bleiben.

Und dieser Entschluss bringt Bewegung in Einars festgefahrenes Leben: Im täglichen Umgang mit seiner Enkelin findet der alte Menschenfeind zu der einzigen Familie zurück, die ihm geblieben ist …

»Ein ungezähmtes Leben«. USA, 2005. DVD, Tobis / UFA. Länge: ca. 104 Minuten. Sprachen: Deutsch und Englisch. Extras: Making of; Kommentar von Regisseur und Produzent; Interviews. FSK: ab 6 Jahre. Preis: ca. € 10,–.

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Alles ist erleuchtet

Für manche Bücher ist es ein Glück, dass sie verfilmt werden. Ein solcher Fall ist »Alles ist erleuchtet« von Jonathan Safran Foer. Obwohl das Buch war in Amerika und Deutschland ein Verkaufserfolg war, darf bezweifelt werden, dass das Buch auch nur halb so oft gelesen wie verkauft wurde. Nachdem man aber den Film von Liev Schreiber gesehen hat, wird man sicherlich auch das Buch einmal in die Hand nehmen.

Held der Geschichte ist Jonathan Safran Foer selbst (Elijah Wood), der seit seiner Kindheit Gegenstände aus der Geschichte seiner eigenen Familie sammelt. Sein Großvater ist vor den Deutschen Truppen aus der Ukraine in die USA geflohen. Als Jonathans Großmutter stirbt, vermacht sie ihm ein Foto, das seinen Großvater auf einem Feld zeigt, neben ihm eine fremde Frau. Diese Frau trägt einen Bernsteinanhänger, den Jonathan aus dem Nachlass seines Großvaters besitzt.

Und so macht sich Jonathan in die Ukraine auf, um nach den Spuren seiner Vorfahren zu suchen. Dort trifft er auf Alexander Perchov (Oleksandr Choroshko), seinen Fremdenführer, mit dessen Großvater (Boris Leskin) und dem »Blindenhund« Sammy Davis Jr. Jr. er sich aufmacht, das Dorf seiner Vorfahren, Trachimbrod, zu suchen.

Die Reise wird für alle Beteiligten ein Abenteuer und eine überraschende Auseinandersetzung mit sich selbst und ihrer Vergangenheit. Liev Schreiber, der auch das Drehbuch geschrieben hat, hat diese bewegende Geschichte an Originalschauplätzen mit hinreißenden Bildern illustriert und der Soundtrack ergänzt die Bilder einfühlsam mit aktueller Musik aus der Ukraine. Ein Film, in dem Freude und Trauer gemischt sind, wie man es nur selten findet.

»Alles ist erleuchtet«. USA, 2005. DVD, Warner Indipendent Pictures. Länge: ca. 101 Minuten. Sprachen: Deutsch und Englisch. Extras: Nicht verwendete Szenen; Trailer. Preis: ca. € 8,–.

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Die unsichtbaren Kinder

Zur Abwechslung mal ein Seh-, kein Lesetipp: „Alle Kinder dieser Welt“ ist ein Filmprojekt von acht Regisseuren, unter denen sich neben weltbekannten Größen wie Spike Lee („Malcom X“) und John Woo („Mission Impossible II“) auch weniger bekannte Kollegen wie Mehdi Charef („Tee im Harem des Archimedes“) oder Emir Kusturica („Underground“) befinden. Auch die Tochter von Hollywood-Starregisseur Ridley Scott („Gladiator“), Jordan Scott, steht zusammen mit ihrem Vater auf der Liste der Filmemacher.

Jede der sieben Episoden dieses Films spielt im Herkunftsland des jeweiligen Regisseurs. Im Zentrum steht immer die Geschichte, man kann auch ohne weiteres sagen, das Schicksal eines oder mehrerer Kinder. Da ist zum Beispiel der kleine Uros, der irgendwo in Bosnien in einer geschlossenen Anstalt für schwer erziehbare Kinder lebt, aber unmittelbar vor seiner Entlassung steht. Er wünscht sich nichts sehnlicher als die Freiheit und wieder bei seiner Familie zu sein. Aber als ihn dann endlich seine Eltern mit Geschenken und Musik abholen, verfliegen die Illusionen schnell: Sein vor Freude über den wiedergefundenen Sohn rasch betrunkener Vater schlägt Uros und zwingt ihn noch auf dem Heimweg zu einem erneuten Diebstahl. Auf der Flucht vor dem Bestohlenen und seinem Vater weiß Uros keinen anderen Ausweg, als sich über die Mauer hinweg zurück in die Erziehungs-Anstalt zu flüchten.

Leider hat man den Originaltitel „All the Invisible Children“ („All die unsichtbaren Kinder“) für die deutsche Ausgabe zu „Alle Kinder dieser Welt“ verflacht. Denn dieser Film macht tatsächlich Schicksale sichtbar, die wir ansonsten nur zu oft übersehen.

„Alle Kinder dieser Welt“ (2005). DVD. Concorde Filmverleih. Ca. € 10,-.

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